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Rote Karte nach
nur 108 Tagen

MSV Duisburg trennt sich von Kohler

Duisburg (dpa). Personal-Entscheidung im Endspurt um den Klassenerhalt: Mit der überraschenden Entlassung von Weltmeister Jürgen Kohler greift der MSV Duisburg nach dem letzten Strohhalm im Kampf gegen den Abstieg.

Nach nur 108 Tagen hat der Vorletzte der Fußball-Bundesliga Trainer Kohler und dessen Assistenten Andreas Zachhuber gestern beurlaubt. »Das Verhältnis war nicht mehr zu kitten. Wir mussten die Reißleine ziehen«, begründete Clubchef Walter Hellmich die Trennung.
Als Interimstrainer werden der zweite Assistenz-Coach Heiko Scholz und der frühere Profi Manfred Stefes am Sonntag gegen Schalke 04 auf der Bank sitzen. »Das sind beides sehr erfahrene Leute«, betonte Hellmich.
Der am 18. Dezember 2004 verpflichtete Kohler ist schon bei seiner ersten Trainerstation im Profifußball gescheitert. »Ich war schon überrascht und bin auch etwas traurig. Natürlich hätte ich gerne weitergemacht, aber ich akzeptiere die Entscheidung«, kommentierte Kohler seinen Rauswurf. Hellmich erklärte derweil, dass der Wunsch nach einer Ablösung des 105-maligen Nationalspielers auch aus dem Kreis der MSV-Profis an ihn herangetragen wurde: »Die Harmonie zwischen Mannschaft, Trainer und mir klappte einfach nicht mehr.«
Kohlers Bilanz beim MSV war mehr als dürftig. Seit Beginn der Rückrunde holte der Weltmeister von 1990 nur zehn Punkte aus elf Partien. Niemand traute ihm mehr zu, die rasante Talfahrt zu stoppen, zumal das Restprogramm mit Heimspielen gegen Schalke, den Hamburger SV und Werder Bremen sehr schwer ist. Dass Kohlers Vorgänger, der wegen der »Kopfstoß-Affäre« entlassene Norbert Meier, zurückkehrt, ist nicht sehr wahrscheinlich. »Man soll nie nie sagen. Aber ich schließe das aus«, sagte Hellmich, der sich bei der Suche nach einem »Neuen« nicht unter Druck setzen lassen will.
Nun sollen Scholz und Stefes in den letzten sechs Saisonspielen den Rückstand auf den Tabellen-15. Mainz aufholen. »Das Ding ist noch nicht gelaufen«, meinte Hellmich. Scholz war bereits nach der Demission von Meier eingesprungen und hatte dabei ein 1:1 gegen Bielefeld und in Mainz erreicht.
Kohler, Sportdirektor und Chefcoach in Personalunion, wollte sich zuletzt nicht klar festlegen, auch beim 5. Absturz in die 2. Liga beim Revierclub zu bleiben. »Wenn man merkt, dass das Bekenntnis des Trainers fehlt, der die Kastanien aus dem Feuer holen muss, hat das eine verheerende Wirkung«, sagte Hellmich. Kohlers häufig geäußerte Kritik an den MSV-Strukturen bezeichnete der Clubchef sogar als »Ungeheuerlichkeit«: »Man soll nicht immer die Schuld bei anderen suchen.«
Dass Topverdiener Kohler, der noch einen Vertrag bis 2007 besaß, eine große Abfindung kassiert, bestritt Hellmich: »Der MSV wird nicht großartig belastet.« Bei Dienstantritt des hatte noch große Euphorie in Duisburg geherrscht. »Wir sind nicht für kurzfristige Lösungen«, so Hellmich damals. Doch nach nur dreieinhalb Monaten ist das »Kapitel Kohler« bereits wieder geschlossen.

Artikel vom 05.04.2006