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Mit vereinten Kräften
und profunden Solisten

Bachs Johannes-Passion in der Marienkirche Jöllenbeck

Von Uta Jostwerner
Bielefeld (WB). Eine volle Marienkirche ist garantiert, wenn Kantorei und Kammerchor Jöllenbeck, verstärkt um Kammerchor Bielefeld und profunde Solisten, zum groß angelegten Chorkonzert einladen. Diesmal war's die Johannes-Passion von Johann Sebastian Bach, die unter dem wechselnden Dirigat von Gottfried Braun und Hauke Ehlers das Publikum auf Ostern einstimmten sollte.

Mit vereinten Chören und gestandenen Gesangssolisten als den tragenden Säulen der Aufführung gewann das barocke Klanggebäude Kontur. So war es eine ausgezeichnete Entscheidung, für die Partie des Evangelisten den Tenor Dirk Mestmacher zu verpflichten, der mit nicht nachlassender Intensität und Souveränität die Weiten der Partitur durchmaß: Mestmachers Parlando atmete den Geist der Verkündung und vereinte Mitgefühl wie dramaturgisch treibende Kraft stets in wohl gesetzter Klangsprache. Facettenreich in Ton- und Ausdrucksspektrum gestaltete Mestmacher sowohl die Rezitative als auch die Arien, dass es der reinste Genuss war.
Nicht minder stark besetzt gefielen auch die Bass-Partien: Hartmut Ernst legte Wärme und Gelassenheit in die Jesusworte und offenbarte darüber hinaus ein ausgeglichen schönes, dunkles Timbre. Siegfried Westenfelder schenkte auf wohlgerundetem Klanggrund den Pilatusworten Gewicht und gestaltete die Bass-Arien einfühlsam und ausdrucksstark.
Hanna Thussen stellte ihren warmen und unmanirierten Alt ganz in den Dienst von Verrenkung und Kontemplation und verzichtete dafür stellenweise auf Durchschlagskraft, während Anne Hofman helles Soprangefunkel einbringen konnte - passend in der enthusiastisch vorgetragenen »Ich folge dir«-Arie, etwas stählern lediglich im »Zerfließe«.
Der Chor überraschte derweil mit frischer Farbpalette und bemerkenswerter gesanglicher Geschmeidigkeit. Auch setzten die Sänger und Sängerinnen die dezenten Gestaltungs- und Phrasierungsvorgaben in den Chorälen sicher und klangschön um. Was die Reaktionsschnelle anbelangt, so darf an punktgenauen Einsätzen der Turbae noch gearbeitet werden. Von einer vertrackten Stolperfalle (Lässest du diesen los), die mehrmalige Anläufe erforderte, einmal abgesehen, wurden die kurzen, treibenden Massenszenen aber sauber herausgearbeitet.
Auch das um einige Profimusiker erweiterte Kammerorchester musizierte in weiten Teilen ausgewogen und spannungsvoll. Vorteilhaft wäre es hingegen, exponierte Soli künftig durchweg mit Berufsmusikern zu besetzen. - Wie auch immer: Die Jöllenbecker applaudierten herzlich und ausdauernd.

Artikel vom 04.04.2006