07.04.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Mit den Söhnen im Stadion

WM-Paten (Folge 14): Emilio Caiza aus Ecuador setzt auf Deutschland

Von Jens Twiehaus und
Wolfram Brucks (Foto)
Paderborn (WB). Zum ersten Mal im Leben Schnee in den Händen und eine ungewisse Zukunft vor Augen: Als der Ecuadorianer Emilio Caiza am 5. November 1968 deutschen Boden betritt, weiß er noch nicht, dass er hier sein Leben verbringen wird - und dass sein Heimatland an der WM 2006 teilnimmt, er ihm aber gar nicht die Daumen drückt.

Es sollten eigentlich nur fünf Jahre werden: Als Stipendiat der Bundesregierung trat Emilio Caiza die weite Reise nach Kiel an, um Ingenieur zu werden. Doch dann kam die Liebe. Auf einer Uni-Party lernte er seine spätere Ehefrau Anneliese kennen, die Beiden heirateten noch vor Ablauf seines Stipendiums, und Caiza blieb, machte in Berlin sein Diplom und kam über Holzminden und Bielefeld nach Paderborn zum Computergiganten Nixdorf.
Wenn Caiza über die WM-Qualifikation der Fußballer aus Ecuador spricht, strahlen seine Augen: »Es wurde ein Nationalfeiertag ausgerufen, und die Menschen empfanden es als ein Geschenk des Himmels.« Erst zum zweiten Mal nach 2002 schafften die Kicker mit dem Kondor auf der Brust die Teilnahme. Dann lief es wie an allen Feiertagen in Ecuador. Mit Zuckerrohrschnaps hätten Hunderttausende die ganze Nacht gefeiert, berichteten ihm später Bekannte am Telefon.
Zu seiner Familie gehört auch Nichte Paola, eine Fußballerin. Sie spiele in der U21-Auswahl von Ecuador, erzählt Caiza, der mit Fußball aber sonst weniger zu tun hat - auch wenn es der beliebteste Sport in Ecuador ist. Aber eines weiß er: »Man versucht in Ecuador, ästhetisch zu spielen. Und Fouls gibt es kaum.«
Am 20. Juni, da wird auch ihn das Fußballfieber packen, wenn er mit seinen Söhnen Maurice (18) und Marco (26) im Berliner Olympia-Stadion sitzt. Das Familien-Trio hat Karten für die drei Vorrundenspiele und ist auch dabei, wenn Ecuador gegen Deutschland antritt. Zu wem er hält? »Zu Deutschland, damit wir Weltmeister werden«, antwortet er. Beim Spiel, das gleichzeitig das letzte Vorrundenspiel ist, werde es »Schlag auf Schlag« gehen. Sein Tipp: 3:3. Und: »Deutschland wird Weltmeister!«
Geboren wurde Emilio Caiza auf einem Bauernhof, etwa 30 Kilometer von der Hauptstadt Quito entfernt. Bauer zu sein, erzählt er, bedeute in Ecuador, einen gesicherten Lebensunterhalt zu haben. Zu seinen Eltern, die noch heute dort leben, sei sogar einmal ein Zahnarzt gekommen und habe gebeten, sie für Essen behandeln zu können. »Akademiker gehören zu den Ärmeren in Ecuador«, erklärt der 57-Jährige. Kriminalität sei zudem eines der größten Probleme des kleinen südamerikanischen Landes.
Heute fühlt er sich als Ostwestfale - aber mit dem Herzen könne man nie ganz ankommen. Heimweh nach Ecuador hat Caiza dennoch nicht mehr: »Heute habe ich höchstens noch Sehnsucht nach meiner Familie - weil ich oft geschäftlich in München bin.« Apropos Arbeit: Das ist auch das, was viele Bekannte aus Ecuador von Caiza wollen. »Sie erwarten, dass ich ihnen einen Arbeitsplatz in Deutschland besorge, verstehen aber die gesetzlichen Beschränkungen nicht«, erzählt der Ingenieur.
Zu seinem Land hält er immer noch engen Kontakt, telefoniert wöchentlich mit seinen Eltern und besucht fast jedes Jahr die Familie in Ecuador. Doch zurück will Emilio Caiza nicht: »Das kann ich meiner Frau nicht zumuten.« Wenn er in Rente geht, möchte er gerne Privatdozent werden. »Vielleicht kann ich mit diesem Geld dann meinen Traum erfüllen, Entwicklungshilfe für Ecuador zu leisten.«

Artikel vom 07.04.2006