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Den schulpolitischen Sommer kurz halten

SPD: Ute Schäfer gewinnt Kampf um den Vize-Vorsitz

Von Reinhard Brockmann
Bochum (WB). Hätte es die erfolgreiche Kampfkandidatur von Ute Schäfer (Lippe) um ein Stellvertreter-Amt nicht gegeben, der SPD-Landesparteitag in Bochum wäre am Samstag total unspektakulär geblieben.
Ute Schäfer, stellvertretende Landesvorsitzende.

Dabei kamen nicht alle 460 Delegierten mit gebremstem Schaum und hängenden Köpfen knapp ein Jahr nach dem Machtverlust in den Ruhr-Kongress, wo schon größere Schlachten geschlagen worden waren. Im Gegenteil, aufgrüttelt vom Hilferuf Berliner Hauptschullehrer wäre manch einer nur zu gern in die Schulformdebatte eingestiegen. Bundesweite Rufe nach Abschaffung der Hauptschule klangen manchen wie späte Genugtuung.
Und tatsächlich, so war am Rande zu hören, drängen die Sozialdemokraten zurück zu neuen alten Ufern, die die Positionen der Rüttgers und Sommers aufmischen sollen. Nur eben noch nicht jetzt.
Der Tritt auf die Euphoriebremse war für Landeschef Jochen Dieckmann sowieso kein Problem, Attacke ist nicht sein Programm. Er war zufrieden, dass die Führungsstrukturen stabilisiert wurden. Der frühere Landesfinanzminister bleibt Vorsitzender. 90 Prozent sind ein beruhigendes Polster für den Juristen. Zuvor waren es 95 Prozent, sei's drum.
Wichtiger war ihm wohl noch, dass Generalsekretär Michael Groschek, der im letzten Sommer wie Harald Schartau auf der Abschussliste stand, mit 73 Prozent bestätigt wurde. Dieckmann schlug am Samstag den »Mike« vor, der Parteitag hatte verstande.
Natürlich soll 2010 die Macht am Rhein zurückgeholt werden: Müder Applaus bestätigt, dass alles andere in einer Grundsatzrede zu sagen auch unziemlich gewesen wäre. Dieckmann rieb sich im Bochumer Kongresscenter hier und da an den »Neuen« in Düsseldorf, behauptete, die wollten die kommunalen Eigenbetriebe plattmachen, weil »die« einfach Spaß am Sozialabbau haben. FDP-Hardliner Gerhard Papke rief zeitgleich bei einer Klausur seiner Fraktion im Westfälischen »alles Lüge«. Und Innenminister Ingo Wolf: »Auch SPD-Bürgermeister privatisieren längst kommunale Aufgaben, wo es nur geht.«
Die SPD-Delegierten, meist aus der Lokalpolitik, schienen ähnliche Erfahrungen zu haben. Der Beifall selbst für die Angriffe auf den Lieblingsgegner im Landtag hielt sich sehr in Grenzen.
Stellvertretend für den erkrankten Matthias Platzeck übernahm der am 22. Mai in NRW abgewählte Peer Steinbrück die Gastrede. Niemand betrachtete ihn allerdings als abgemeldet oder gar als einen nach Berlin weitergereichten »Ex«. Vielmehr lauschten die Genossen aufmerksam, als Steinbrück die Programmlinie absteckte: Bildung, Familienförderung, Frauenpolitik, Strukturwandel, soziale Identität und den »Mehrwert der SPD« deutlich machen.
Seine Botschaft: Sich bloß nicht »wie alte Männer« nach dem Krieg in Erinnerungen an geschlagene Schlachten verlieren: »Kommt aus der Phase heraus, wo Ihr Asche über die Häupter verteilt.«
Für »Frischzellenkur statt Ochsentour« ist er bereit, eine ganze Generation zu überspringen. Unausgesprochen: die 35 bis 50-Jährigen sind in der NRW-SPD nicht zum Zuge gekommen. Er empfahl die Kommunalakademie und will jetzt die 20-Jährigen aufs Gleis setzen. Ein Hinweis, der bei den Vorstands- und Beisitzerwahlen keine Beachtung fand.
Ute Schäfer schaffte auf Anhieb 53 Prozent und freute sich, jetzt noch mehr und auf noch breiterer Bühne Schulpolitik machen zu können. Die alte Schulministerin will die rote Schulpolitik schon nach einem kurzen schwarz-gelben Sommer allen klarmachen.
Wiedergewählt wurden Ex-Frauenministerin Birgit Fischer (86 Prozent) sowie die Landtagsabgeordneten Britta Altenkamp (56 Prozent) und Karsten Rudolph (48 Prozent). Aus Ostwestfalen kamen in den erweiterten Vorstand Ernst-Wilhelm Rahe, (Unterbezirk Minden-Lübbecke) und Anne Rodenbrock-Wesselmann (UB Gütersloh). Beide erhielten 92 Stimmen.
Die CDU wertete den Parteitag, der unter dem Motto »Neues Vertrauen. Neue Chancen« stand, als »blutlos«. Die SPD habe Nordrhein-Westfalen nichts zu bieten, kommentierte der Generalsekretär der NRW-CDU, Hendrik Wüst. Seite 2: Kommentar

Artikel vom 03.04.2006