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Richard Katz

»Geld regiert
die Welt.
Und genau danach sieht sie
auch aus.«

Leitartikel
Schröders Sicht der Dinge

»Mein bester Freund, ich wusste nichts«


Von Rolf Dressler
Ein gar herziger Dialog zum Steinerweichen. Irgendwann zwischen Juli, August und September 2005. Irgendwo, ob nun im prunkvollen Moskauer Kreml-Palast der Neuzeit-Zaren oder im Glasgeviert der deutschen Regierungszentrale am Berliner Spreebogen.
Kanzler Gerhard Schröder, aufgeräumt wie fast immer bei solchen Gelegenheiten: »Grüß' dich, bester Freund Wladimir! Wie geht's, wie steht's?«
Russland-Präsident Putin, wie fast immer um keine Antwort ver- legen: »Na, prächtig! Höre gerade, dass ihr unserem Gemeinschaftsprojekt Ostsee-Erdgasleitung nun auch noch mit einer flotten Extra-Bürgschaft auf die Sprünge helfen wollt.«
Schröder: »Davon weiß ich zwar gar nichts, aber ich find' das einfach klasse. Läuft doch alles wie geschmiert!«
Putin, mit seiner weltbekannten Politbühnen-Mimik zwischen Pokergesicht und Schlitzohr: »Davon weißt du gar nichts?«
Schröder: »Ach, Wladi, mal ehr- lich, würden wir Staatenlenker, du genauso wie ich, uns auch noch persönlich um jede läppische Staatsbürgschaft kümmern, kämen wir ja überhaupt nicht mehr zu den wirklich wichtigen Geschäften.«
Gewiss, Wort für Wort hat die- ses Gespräch so wohl nicht stattgefunden in jenen Wochen vor der Bundestagswahl am 18. September letzten Jahres. Doch verwundert wäre im Nachhinein auch kaum jemand, wenn die Männerfreunde Gerhard Schröder und Wladimir Putin sich seinerzeit unter vier Augen ganz ähnlich verschmitzt-diskret ausgetauscht hätten. Über fürstliche Staatsgastgeschenke aus dem deutschen Steuerzahlertopf zum Nutzen des Energie-Riesens Russland wird ja ohnehin immer wieder mal geplaudert. Warum sollten dann nicht praktischerweise gleich auch Nägel mit Köpfen gemacht werden, um Gerhard Schröder eine einträgliche Zukunft nach der Kanzlerschaft zu sichern?
Ob der Gasmann-»Deal« tatsächlich so gelaufen ist oder (ein bisschen) anders, wer weiß? Mit Treuherz-Blick verkündete Schröder soeben, er habe von einer solchen 900-Millionen-Bürgschaft seiner rot-grünen Regierung für Russlands Ostsee-Erdgas-Pipeline schlicht »nichts gewusst«. Träfe dies zu, wäre schon das unfassbar. Denn dann würden sich die schlimmsten Befürchtungen bestätigen, wie leichtfertig, ja, grob fahrlässig sogenannte Volksvertreter - sogar locker am Regierungschef vorbei - mit unseren Steuergeldern umherwerfen, die sie doch eigentlich treuhänderisch-sorgsam und gewissenhaft hüten müssten.
Und wenn der Kanzler von ge- stern und angehende Aufsichtsratschef des russisch-deutschen Gazprom-Firmenkonsortiums mit seinem »Nichts gewusst« die Unwahrheit gesagt haben sollte? Wäre das nicht noch skandalöser? Immerhin ist Gerhard Schröder (auch) Jurist von Beruf.
Auch deshalb reicht die Reihe der - gelinde gesagt - Unge- reimtheiten in dieser (Staats-)Affäre über bloße Geschmacksfragen schon längst weit hinaus.

Artikel vom 03.04.2006