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»Mutprobe«:
Kinder kauern
unter Bahnsteig

Vollbremsung der Stadtbahnlinie 1

Von Ulrich Hohenhoff
(Text und Foto)
Senne (WB). Weil sie den besonderen »Kick« suchten, wollten zwei Schülerinnen, elf und zwölf Jahre alt, eine »Mutprobe« absolvieren. Die beiden kauerten sich in die nur wenige Zentimeter tiefe Nische unter dem Hochbahnsteig »Sennefriedhof« der Stadtbahnlinie 1. Nur der geistesgegenwärtigen Reaktion des 45-jährigen Straßenbahnfahrers ist es zu danken, dass das leichtsinnige Vorhaben glimpflich verlief.

Die Mädchen kamen unverletzt mit dem Schrecken davon.
Wie erst jetzt bekannt wurde, ereignete sich der Vorfall bereits am vergangenen Dienstag. An den Bahnsteig gekauert, erwarteten die Kinder die Straßenbahn, die sie an sich vorbeifahren lassen wollten. Um 14.46 Uhr fuhr der Stadtbahnzug ab Endhaltestelle Senne in Richtung Schildesche los, erreichte zwei Minuten später die Haltestelle »Sennefriedhof«. Kurz vor der Einfahrt entdeckte der Straßenbahnfahrer unter dem vorstehenden Bahnsteig in einer vorhandenen Ausbuchtung einen Haarschopf und leitete sofort eine Vollbremsung ein. Der voll besetzte Straßenbahnzug kam kurz vor dem Versteck der Mädchen, die sich eng an die Abgrenzungsmauer gepresst hatten, zum Stehen.
Es blieb nicht einmal so viel Platz zwischen der Straßenbahn und dem Bahnsteig, dass die Kinder einen freien Weg hatten, um aus der Ausbuchtung herauszukrabbeln. Der Straßenbahnfahrer verdonnerte die beiden, zunächst an ihrem Platz zu bleiben, rangierte dann den tonnenschweren Zug mit weniger als Schrittgeschwindigkeit zentimeterweise vor und verständigte die Polizei. Dann griff er sich die kleinlauten Gören, nahm sie in der Stadtbahn bis zur Haltestelle »Brackwede Bahnhof« mit. Dort warteten bereits Polizeibeamte.
Auf eindringliches Befragen gaben die Schülerinnen zu, dass ihr Verhalten eine »Mutprobe« gewesen sei. Über mögliche Folgen ihres leichtfertigen Handelns hatten sie sich keine Gedanken gemacht.
Die Polizisten brachten die Kinder zu deren überraschten und fassungslosen Eltern. Die Schülerinnen erwartet jetzt eine Anzeige wegen gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr.

Artikel vom 01.04.2006