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Arzt und Facharbeiter »Spitzenväter 2006«

Zeitweiser Verzicht auf Ausübung des Berufes belohnt

Von Bernhard Hertlein
Berlin/Gütersloh (WB). Das Vaterland soll »Väterland« werden - wenn auch keines nach Altvätersitte. Kinder, Mütter und überhaupt die ganze Gesellschaft brauchen »neue Väter«, forderte Professor Ulrike Detmers (Universität Bielefeld) am Freitag bei der erstmaligen Verleihung des Mestemacher-Preises »Spitzenvater des Jahres« in Berlin.

Die beiden Spitzenväter - der Metall-Facharbeiter Winfried Growe aus Sassenberg mit zwei Töchtern und der Münsteraner Facharzt Dr. Gerd Albert Stenger mit zwei Söhnen und einer Tochter - wurden am Freitag im Dachgarten-Restaurant Käfer im Gebäude des Deutschen Reichstags vor allem dafür geehrt, dass sie sich eine Zeit lang ganz oder teilweise aus dem Berufsleben verabschiedet und die Kinderbetreuung übernommen haben. »Kinder, die von den Eltern gemeinsam großgezogen werden, finden sich im Leben besser zurecht«, glaubt Winfried Growe. Und Gerd Albert Stenger erklärt: »Ich wollte keinen Dienstleister zu Hause, sondern eine Frau, die Spaß am Beruf und an der Kindererziehung hat.«
Die CDU-Politikerin sowie frühere Familienministerin und Bundestagspräsidentin Prof. Rita Süssmuth fand es als Festrednerin bezeichnend, dass die Idee für den Preis von einer Frau - Ulrike Detmers - stammte: »Es wird Zeit, dass auch Männer die Leistungen anderer Männer als Väter anerkennen.« Enttäuscht zeigte sich Süssmuth von dem Plan der Großen Koalition, bei der neuen Elternzeit nur zwei Monate für den weiter berufstätigen Teil - in der Regel also weiter der Vater - zu reservieren: »Das ist wieder nur ein Tippelschritt und darum Stümperei.« Richtig wäre es, die gesamte Elternzeit unter Vater und Mutter aufzuteilen. Hier könne man nicht auf Freiwilligkeit setzen, »solange Väter, die sich für Eltern- oder Teilzeit und für Familienengagement entscheiden, als Softie abgetan in den Unternehmen kein Verständnis finden.«
Bernard Panreck, Personalchef des Sassenberger Reisemobilherstellers LMC Caravan (500 Mitarbeiter, 135 Millionen Euro Umsatz), bekannte freimütig, dass er selbst anfangs »wenig begeistert« auf Growes Ansinnen reagiert habe, für eine Zeit lang die Betreuung der Kinder zu übernehmen und dem Unternehmen nur noch aushilfsweise zur Verfügung zu stehen. Heute sei er jedoch froh: »In dieser Hinsicht müssen noch viel mehr Firmen umdenken.«
Ulrike Detmers, Mitgesellschafterin der Gütersloher Großbäckerei Mestemacher, die den neuen, mit insgesamt 10000 Euro dotierten Preis gestiftet hat, sammelte selbst auch in der eigenen Familie Erfahrung mit der Organisation von Erziehungsarbeit: »Ohne die Unterstützung durch meinen Mann und meine Mutter wäre der Einstieg in die wissenschaftliche Karriere nicht so einfach gewesen.« Heute ist Detmers schon Oma eines neunjährigen Enkelkindes. Die Tochter und junge Mutter steckt gerade in den Vorbereitung für die Prüfung als Diplom-Kauffrau. Seite 4: Kommentar

l Am 1. April beginnt die Ausschreibung für den »Spitzenvater 2007«. Die Schirmherrschaft hat Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen. Infos unter
www.mestemacher.de

Artikel vom 01.04.2006