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»Es gibt keine Rütli-Schule in NRW«

Heute im Gespräch: NRW-Integrationsminister Armin Laschet (CDU)

Düsseldorf (WB). Integration wird auch mit schwierigen Fällen fertig, darf aber nicht nachlassen. Das sagt Minister Armin Laschet im Gespräch mit Reinhard Brockmann.
Ist bei 80 Prozent Migrantenanteil die Integration am Ende?Laschet: Wir haben Schulen, an denen Integration auch bei einem sehr hohen Migrantenanteil funktioniert. Wenn allerdings noch sehr viele Schüler aus sozialen Brennpunkten hinzukommen, wird es schwierig.

Ist die Rütli-Schule in Berlin die absolute Ausnahme? Laschet: Ich kenne keine vergleichbaren Fälle in NRW. In Berlin-Neukölln haben wir eine besonders dramatische Situation.

Da klingt eine gewisse Erleichterung durch...Laschet: Das nicht, aber Kreuzberg und Neukölln sind die einzigen Orte, wo es Ghettos gibt. Diese zwei Bezirke sind noch nicht die Banlieue in Frankreich, aber dramatischer als jeder Ort bei uns in NRW.
Hauptschullehrer beklagen, auch im Ruhrgebiet sei die »Ghettoisierung« zu beobachten. Laschet: Das sehe ich anders. In Duisburg etwa gibt es gute Anstrengungen, so etwas nicht entstehen zu lassen. Entscheidend ist, ob man sich mit einem kommenden Problemfeld noch befasst oder es bleiben lässt. Neukölln ist so dramatisch, dass man sich gar nicht mehr darum kümmern konnte.

Was tun, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist?Laschet: Gut Deutsch zu sprechen ist für alles die entscheidende Voraussetzung. Gerade wegen der unterschiedlichen Sprachen ist Deutsch für die einzelnen Gruppen die beste Verständigungsbasis. Unser Ziel ist es deshalb, die Sprache zu fördern und sie so früh wie möglich jedem abzuverlangen. Das erleichtert Integration.

Was können Sie tun, damit es erst gar nicht so weit kommt wie in der Rütli-Schule?Laschet: Politik muss dafür sorgen, dass jedes Kind im Schulsystem die besten Bildungschancen bekommt. Das ist nicht der Fall, wenn es in die Grundschule kommt und kein Deutsch spricht. Dann zählt das Kind sofort zu den schlechteren Schülern. Erfahrungen des Scheiterns setzen sich fort, bis es ohne Abschluss die Schule verlässt. Genau in dieser Phase befinden sich die Schüler der Rütli-Schule. Sie haben für sich selbst keine Perspektive. Deshalb sagen wir in NRW: Im vierten Lebensjahr Sprachstandfeststellung und dann Deutsch fördern, damit alle im ersten Schuljahr auf dem gleichen Stand starten. Außerdem haben wir regionale Arbeitsstellen, wo Schulen sehr eng mit Jugendhilfe und Jugendarbeit kooperieren. In besonderen Projekten mit den Problemgruppen sollen sich diese Kinder und Jugendlichen aufgehoben fühlen.

Unions-Fraktionschef Volker Kauder fordert in Berlin einen verschärften Integrationskurs. Er will die hohe Kriminalität bei jugendlichen Ausländern nicht länger tabuisieren. Sie auch?Laschet: Wir tabuisieren das nicht. Unsere Integrationspolitik erkennt an, dass hier unterschiedliche Kulturen leben, aber formuliert auch notwendige Anforderungen. Gesetze, die hier gelten, müssen eingehalten werden. Gegen Kriminalität muss man vorgehen.

Kauder will auch die Eltern schärfer heranziehen.Laschet: Auch das nenne ich nicht schärfer, sondern einfach: mehr abverlangen als bisher. Gelingen kann die Erziehung nur mit den Eltern gemeinsam. In Neukölln reden derzeit alle mit, nur von den Eltern hört man fast gar nichts. Eltern müssen ganz klar in die Pflicht genommen werden.

Artikel vom 01.04.2006