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Frische Luft einziges »Doping«

Taubenzüchter weisen Vorwürfe der Tierversuchsgegner empört zurück

Von Gerhard Hülsegge
und Hans-Werner Büscher (Foto)
Bielefeld (WB). »Brieftaubenzüchter sind keine Tierquäler.« Hierauf weist Walter Böddeker, Vorsitzender des Bielefelder Vereins »Auf zur Heimat«, mit Nachdruck hin. Der Anlass: Der Bundesverband des Vereins »Tierversuchsgegner - Menschen für Tierrechte« hatte behauptet, das Gefieder werde »gedopt«, um es zu zu Höchstleistungen zu bringen.

»Das ist absoluter Quatsch«, sagt Böddeker. Gnadenlose Auslese, schonungslose Wettflüge und mit Medikamenten vollgestopfte Tiere gehörten nicht zum Alltag eines weltweit mit viel Liebe und Hingabe ausgeübten Hobbys. In Deutschland gehen rund 60 000 Menschen dieser faszinierenden Freizeitbeschäftigung nach.
Blickt man an den Sommerwochenenden gen Himmel, sieht man sehr häufig Schwärme und Grüppchen von Brieftauben, die zielstrebig ihrem Heimatschlag entgegeneilen. Traumhaft sicher kehren sie nach Hause zurück, nachdem sie hunderte von Kilometern mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 70 Stundenkilometern zurückgelegt haben.
»Wer weiß schon, wieviel Vorarbeit damit verbunden ist, die Tauben zum Sieg zu führen?«, fragt Böddeker. Während vor 40 Jahren der Transport der Tauben ausschließlich mit der Bahn erfolgte, sind heute Spezialfahrzeuge mit Kabinenexpressen unterwegs. Sie sind mit modernster Technik ausgestattet, was Klimatisierung, Fütterung und Lichtzufuhr angeht. »Darin werden die Tauben auch bei weiten Flügen bestens versorgt«, betont der 67-Jährige. Die Züchter lassen sich die Gesundheit der Tiere einiges kosten: bis zu 125 000 Euro pro Fahrzeug.
Die Wettflüge der Alttauben beginnen Anfang Mai mit 150 Kilometern und enden bei 600 Kilometern. Im Schnitt werden zehn bis 14 Wettflüge für die Meisterschaft absolviert. Bei den Weitstreckenflügen über 1000 Kilometer gehen Tauben aus ganz Europa an den Start. Der populärste ist der Flug ab Barcelona, der alljährlich Anfang Juli stattfindet. Die Jungtauben gehen im August zunächst auf eine 80 Kilometer lange Reise und steigern sich bei insgesamt sechs Flügen auf 300 bis 400 Kilometer.
Werden sie deshalb mit Aufputschpräparaten zu Höchstleistungen getrieben? »Mitnichten«, versichert Böddeker, einer von 90 Züchtern in Bielefeld. Um Tauben in Form zu bringen, brauche man vielmehr einen guten Reiseschlag, in dem sich die gefiederten Tauben wohlfühlen. Ebenso wichtig seien gute Lichtverhältnisse und Frischluftzufuhr, eine ausgewogene Fütterung und natürlich die Intelligenz der Tiere und ihr Orientierungssinn. Bödekker: »Von daher ist es begreiflich, dass nur gesunde und leistungsfähige Tauben zu den Wettflügen gebracht werden.«
Indes, das weiß auch Böddeker, »schwarze Schafe« gibt es überall. Um ihnen das Wasser frühzeitig abzugraben, unterhält der Verband Deutscher Brieftaubenzüchter seit 1972 eine Tauben-Spezialklinik. In Kooperation mit ihr werden regelmäßig auch Dopingkontrollen bei Brieftauben durchgeführt. Sie sind in den Vereinssatzungen auch der 16 Bielefelder Vereine mit 90 Mitgliedern und 58 so genannten »reisenden Schlägen« verankert. Pro Jahr werden 20 bis 30 Kontrollen vorgenommen. Böddeker: »Bislang ist noch keine einzige Taube positiv getestet worden.«
Seit 1969 sind Deutschlands Brieftaubenzüchter übrigens auch gemeinnützig aktiv. Acht Millionen Euro flossen bis heute auf das Spendenkonto der »Aktion Mensch«. Damit gilt der Verband Deutscher Brieftaubenzüchter als der größte Einzelspender überhaupt. Die Versteigerung anlässlich der Verbandsausstellung 2006 in Dortmund erbrachte zudem den Rekordbetrag von 85 000 Euro zu Gunsten behinderter und benachteiligter Menschen.

Artikel vom 01.04.2006