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Hauptschule unter Druck

Berliner Rütli-Schule: Laschet sieht keine vergleichbaren Fälle in NRW

Von Reinhard Brockmann
Bielefeld (WB). Die Grünen, die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und der Bundeselternrat fordern die Abschaffung der Hauptschule, damit sie nicht länger Auffangbecken für schwierige Schüler sein könne.

Bundeskanzlerin Angela Merkel lehnte dies am Freitag ebenso wie Vertreter von FDP sowie der Verband der Gymnasiallehrer ab und verlangte dagegen verstärkte Anstrengungen zu Integration von Schülern ausländischer Herkunft.
Lehrer im Berliner Problembezirk Neukölln hatten in einem Brief dramatisch um Hilfe gerufen. Seit Freitag hat die Rütli-Schule wieder einen Direktor.
Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) verlangte einen schärferen Kurs der Integrationspolitik. Die Zustände an der Rütli-Schule spiegelten »wie im Brennglas das Integrationsdefizit vieler ausländischer Jugendlicher«. Und: »Die Zeiten des Wegsehens und der Blindheit aufgrund einer falsch verstandenen Multi-Kulti-Ideologie sind nun wirklich vorbei.« Dem widersprach NRW-Integrationsminister Armin Laschet im WESTFALEN-BLATT-Interview. In NRW werde die Achtung hiesiger Gesetze gefordert. Auch würden Eltern in die Mitverantwortung genommen. Totalversagen von Integration wie in dem Berliner Fall sei in NRW nicht bekannt.
Berlin werde kein Einzelfall bleiben, sagte dagegen Udo Beckmann vom Verband Bildung und Erziehung. Hinweise von Lehrern auf nicht lösbare Probleme würden als Gejammer und mit Verweis auf knappe Finanzen vom Tisch gewischt. Die NRW-Schulpolitik trage mit immer feineren Auslesemechanismen zur Verschärfung bei. Gymnasien und Realschulen nutzten »extensiv die Möglichkeit des Abschulens, um sich schwieriger Schüler zu entledigen«.
Ostwestfalen hat ähnlich hohe Anteile nichtdeutscher Schüler wie Berlin. Spitzenreiter mit 80,8 Prozent Migranten ist eine staatliche Hauptschule in Bielefeld. Mit 38,9 Prozent Ausländer-/Aussiedleranteil an den Hauptschulen insgesamt liegt OWL deutlich über dem NRW-Wert von 31,4 Prozent.
Der durchschnittliche Anteil von Ausländern und Aussiedlern an allen Hauptschulen in Bielefeld beträgt 58,4 Prozent. Nach Angaben der Bezirksregierung folgen die Hauptschulen in Espelkamp mit 55, Halle 52, Bad Oeynhausen 51 und Augustdorf 47,1 Prozent.
Mögliches Misslingen von Integration misst der Detmolder Migrationsexperte Hans-Joachim Keil an Schülern ohne Abschluss. Das sind in OWL 16,8 Prozent der Migranten-Jungen und 13,7 Prozent der Mädchen in dieser Gruppe. Einheimische deutsche Jungen bleiben zu 6,8 Prozent und Mädchen zu 3,5 Prozent ohne Abschluss. Das Abitur machen in OWL 32,8 von 100 einheimischen deutschen Mädchen und 24 von hundert Jungen. Unter den Ausländern und Aussiedlern sind es etwa 9,1 Prozent der Mädchen und etwa 6,3 Prozent der Jungen.
Mit Aussiedlern habe die Region gute Erfahrungen gemacht, sagt Keil und verweist auf ein anderes Problem. »Bei deutschen und ausländischen Jungen geht Begabung verloren. Die Feminisierung hat den türkischen und deutschen Jungen nicht gut getan.« Seite 4: Kommentar und Interview

Artikel vom 01.04.2006