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Das Wort zum Sonntag

Von Pfarrer Hans-Jürgen Feldmann


»Jesu, meine Freude« - so beginnt einer der klassischen Choräle der evangelischen Kirche, bekannt auch durch die große Motette von Johann Sebastian Bach. Der Anfang dieses Liedes enthält einen wichtigen Hinweis: Wer sich an Jesus freuen kann, kommt ihm näher, als hätte er hundert gelehrte Bücher über ihn gelesen und wäre doch in seinem Herzen unbeteiligt geblieben.
Freude ist eine Regung des Gefühls und nicht des Verstandes oder des Willens. Freude entsteht nicht durch Argumente, und keiner kann sich schon deshalb freuen, weil er das will. Die Freude ist eine Schwester der Liebe. Wer lieben kann und Liebe erfährt, befindet sich auf der Sonnenseite des Daseins und weiß sich reich beschenkt, obwohl auch ihm Belastungen und Probleme nicht erspart bleiben.
Diese Freude an Jesus fängt damit an, wieder darüber glücklich zu werden, daß es ihn überhaupt gibt. Es versteht sich ja nicht von selbst, auf einen guten Hirten zu treffen, der niemanden fallen läßt, der dem Verlorenen nachgeht, bis er es findet. Anders, als in der Welt üblich, umgibt sich Christus auch nicht nur mit solchen, mit denen er sich sehen lassen kann und die seinen Ruhm vermehren. Wer könnte sich denn dazurechnen? Gerade die unansehnlichen Menschen ziehen ihn an. Ihnen gibt er ihr Ansehen und ihre Würde zurück, die sie vielleicht selber mit Füßen getreten haben und die ihnen von ihren Mitmenschen abgesprochen werden.
Es ist nicht selbstverständlich, daß einer der brutalen Welt und dem blanken Egoismus die Nächstenliebe entgegensetzt, ja sogar die Liebe zum Feind. Jesus aber hat davon nicht nur gesprochen; er hat es mit seiner eigenen Person bis zur letzten Konsequenz bewahrheitet und mit seinem Leben bezahlt. Das sind Töne nicht aus dieser Welt, aber ohne sie würde diese Welt noch mehr verrohen und der Barbarei verfallen.
Es lohnt sich, neugierig zu werden auf diesen Mann und dazu wieder einmal oder zum ersten Mal die alte und ewig junge Bibel aufzuschlagen. In den Evangelien des Neuen Testamentes wird von Jesus erzählt. Für Anfänger empfehlen sich dazu die Bücher von Matthäus, Markus und Lukas. Das Johannesevangelium ist schwieriger, eher für Fortgeschrittene geeignet. Aber die anderen Schriften müssen auch nicht gleich von vorne bis hinten durchgeackert werden. Man darf ruhig einiges überspringen und sich einzelne Geschichten heraussuchen und bei ihnen verweilen, um immer wieder neu zu entdecken: Bei Jesus bin ich gut aufgehoben; er könnte mein bester Freund sein. Von ihm geht Wärme, Liebe und Geborgenheit aus. Er kann aber, wenn es sein muß, auch sehr deutlich werden. Denn nur angepaßt ist Christus nie.
Zugang zu Jesus gewinnt man mit dem Herzen. In der gegenwärtigen Passionszeit bietet sich an, sich in das Bild des Gekreuzigten zu versenken, es einfach auf sich wirken zu lassen und mit ihm stille Zwiesprache zu halten. All die klugen Erklärungen, was dies zu bedeuten hat, kann man dabei getrost einmal beiseite lassen. Manchmal verdunkeln sie ohnehin mehr, als sie erhellen. Sich nur diesem »edlen Angesichte« und dem »Haupt voll Blut und Wunden« auszusetzen und sich davon anrühren und ansprechen lassen, bringt einem Jesus näher. Ebenso tut es gut, sich der Poesie der Ostergeschichten zu öffnen und sich von der Kraft und dem Jubel der Osterchoräle anstecken und mittragen zu lassen. Man muß nicht gleich alles mit dem Kopf begreifen wollen. Der direktere Weg zu Jesus geht über das Gefühl.
Der Glaube beginnt mit der schlichten Freude darüber, daß es Jesus Christus gibt. Diese Freude läßt spüren, daß er das Herz Gottes aufschließt, in dem auch ich einen Platz habe: »Kennt auch mich und hat mich lieb« und »hat zu viel an mich gewandt, um mich wieder loszulassen«. Daraus erwächst Lebensbejahung, Lebensfreude, positives Denken, Gelassenheit und ein zuversichtlicher Blick in die Zukunft.

Artikel vom 01.04.2006