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Erfahren und zu gut fürs Abstellgleis

Bertelsmann-Stiftung prämiert Beschäftigung älterer Arbeitnehmer

Von Bernhard Hertlein
Gütersloh (WB). Nirgendwo in den 21 führenden westlichen Industrienationen ist die Arbeitslosenquote in der Gruppe der 55- bis 64-Jährigen höher als in Deutschland. 2004 betrug sie nach Angaben der Bertelsmann-Stiftung 11,3 Prozent und lag damit noch um vier Prozent über dem zweitschlechtesten Ergebnis in Finnland.

Dagegen herrscht beim Spitzenreiter Norwegen mit 1,1 Prozent Vollbeschäftigung. Auch Länder wie Irland (2,4 Prozent), Großbritannien (3,1), USA (3,8), Italien (4,1) und Frankreich (6,3) schneiden besser als Deutschland. Etwas höher rangiert die Bundesrepublik bei der Erwerbsbeteiligung der 55- bis 64-Jährigen. Angesichts höherer Frühverrentung liegen Belgien (31,5 Prozent), Italien (31,8), Griechenland (41,2) und Frankreich (43,8) hier noch hinter Deutschland. Die höchste Erwerbsquote melden Schweden (73,1), Neuseeland (68,9) und Norwegen (68,8).
»Angesichts des demographischen Wandels müssen Politik und Wirtschaft diesen Trend unbedingt umkehren«, forderte die stellvertretende Vorstandsvorsitzende Liz Mohn bei der gestrigen Vorlage des Rechenschaftsberichts 2005. Auf der Suche nach Lösungen werde die Stiftung ihren mit 150 000 Euro dotierten Carl-Bertelsmann-Preis 2006 dem Thema widmen. Unter dem Titel »Älter werden -Ê aktiv bleiben« werden positive Beispiele für die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer prämiert. Derzeit wird eine Liste von 30 bis 40 Vorschlägen ausgewertet.
2005 gab die Stiftung 56,7 Millionen Euro für ihre eigenen 60 Projekte aus. 40 Millionen Euro gingen an die Deutsche Schlaganfall- und 10 Millionen an die Liz Mohn Musik- und Kulturstiftung.
Mit 11 Millionen Euro floss der höchste Einzeletat in den Bildungssektor. Der von Prof. Werner Weidenfeld verantwortete Bereich der Politikberatung entwickelte nach dem Scheitern der EU-Verfassung das Modell eines »Vertrages zur Reform des Vertrags von Nizza«. Ziel sei es, mit einer deutlich abgespeckten Verfassung die Regierungsfähigkeit in der Europäischen Union zu erhalten.
Brigitte Mohn, unter anderem Chefin des Projektbereichs Gesundheit, kündigte bis Jahresende die Einrichtung eines »Patientenportals« im Internet an. Derzeit würden Kriterien zur Qualitätsermittlung von Krankenhäusern und Arztpraxen ausgearbeitet. Die demografische Entwicklung, ein weiteres Schwerpunktthema, ist nach Auskunft von Geschäftsführer Dr. Johannes Meier Thema einer Fachkonferenz-Reihe, zu der die Gütersloher gemeinsam mit Bundespräsident Horst Köhler einladen.
Das vierköpfige Team, das die Stiftung nach dem Ausscheiden von Prof. Heribert Meffert führt, soll Liz Mohn zufolge bis August 2007 Bestand haben. Danach ist geplant, dass Bertelsmann-Vorstandschef Dr. Gunter Thielen die Leitung der Stiftung übernimmt.

Artikel vom 31.03.2006