31.03.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Pflegekinder missbraucht?

Mädchen sollen Opfer eines »falschen Lehrers« geworden sein

Von Christian Althoff
Bielefeld (WB). Zwei kleine Mädchen aus Bielefeld, die vom städtischen Jugendamt in eine Pflegefamilie nach Lemgo (Kreis Lippe) gegeben worden waren, sollen dort jahrelang missbraucht worden sein.
Michael N. aus Lemgo hat sich als Lehrer ausgegeben.
Die leibliche Mutter der Kinder soll mit der Erziehung ihrer 1992 und 1995 geborenen Töchter überfordert gewesen sein. Eine Mitarbeiterin des Jugendamtes hatte sich daraufhin an die Arbeiterwohlfahrt in Bielefeld gewandt, um über die AWO eine Pflegefamilie zu finden. Die Arbeiterwohlfahrt ist als Trägerin der Jugendhilfe auch für die Auswahl, Bezahlung und Betreuung von Pflegefamilien zuständig. Sie vermittelte die Kinder schließlich an Michael N. (46) aus Lemgo - einen großen, bärtigen, selbstbewusst auftretenden Mann, der sich als Lehrer für Mathematik und Kunst ausgab. »Das war er aber nicht. Die entsprechenden Papiere hatte er gefälscht«, erklärte gestern Oberstaatsanwalt Dieter Varnholt aus Detmold. Mit den Papieren soll sich Michael N. Jobs an der Gesamtschule Lemgo und einer Detmolder Grundschule erschlichen haben - allerdings nur als Hausaufgabenbetreuer. Außerdem hatte er für den Lemgoer Verein »Friedensbüro e.V.« eine ständige Jugend- und Familienberatung. organisiert.
Michael N. lebte mit einer alleinerziehenden Frau und deren neun Jahre alter Tochter zusammen, dazu kamen später die beiden Pflegekinder aus Bielefeld. Nach den Ermittlungen von Staatsanwältin Christa Brinkforth-Pekoch soll sich der Mann zwischen 1999 und 2005 an allen drei Mädchen vergangen haben. Neben dem körperlichen Missbrauch soll es in einem Fall dazu gekommen sein, dass der Mann einem der Kinder einen Pornofilm vorführte. Oberstaatsanwalt Varnholt: »Der Tatverdacht gegen den Mann ergab sich erst im vergangenen Jahr, als sich eines der Opfer offenbarte.«
In seinen Vernehmungen bestritt der Mann die Vorwürfe. Er blieb zunächst auf freiem Fuß, durfte aber keinen Kontakt zu den Kindern haben. Trotzdem schrieb er einem der Mädchen einen Brief und schlug vor, sich mal wieder zu treffen. »Wir mussten eine Zeugenbeeinflussung des Kindes befürchten und haben deshalb einen Haftbefehl gegen den Mann erwirkt«, sagte Varnholt.
Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der mutmaßlich pädophile Lemgoer nicht etwa eine günstige Gelegenheit genutzt hat, sondern sich die Gelegenheiten zum Kindesmissbrauch durch Kontakt zu der alleinerziehenden Frau und die Aufnahme der Pflegekinder planvoll geschaffen hat.
Der Prozess gegen Michael N. beginnt am 6. April vor dem Landgericht Detmold.

Artikel vom 31.03.2006