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Nachfrage ergab
115 Lehrstellen

Handwerk kämpft für Jugendliche

Von Michael Diekmann
Bielefeld (WB). »Wir haben das Netz engmaschig geknüpft. Da ist etwas hängen geblieben«, freut sich Elmar Barella. Immerhin 115 freie Ausbildungsplätze haben die fünf »Lehrstellen-Scouts« der Bielefelder Handwerkskammer noch aufgetan. Die Chance, alle Schulabsolventen unterzubringen, sieht der Abteilungsleiter der Kammer dennoch nicht: »Wir müssen gewaltig kämpfen.«

Insgesamt mehr als 7000 aktuelle und ehemalige Ausbildungsbetriebe hatte die Kammer in den vergangenen Wochen angeschrieben und nach unbesetzten Stellen sowie nach der Möglichkeit befragt, zusätzliche Ausbildungskapazitäten anzubieten. Allein 22 freie Stellen entfallen auf Bau- und Ausbausektor (Maurer, Maler, Dachdecker), 26 Stellen auf den Metallbereich. Mit drei Stellen bei Elektro, sechs bei Holz, 18 in Gesundheitsberufen sowie vier in Glas, Papier und Keramik konnten die Fachberater der Kammer in nahezu allen Berufsgruppen erfolgreich Stellen fischen. In den Nahrungsmittelberufen, freut sich Barelle, gab es sogar 32 zusätzliche Nennungen, in kaufmännischen Berufen wie Bürokaufmann und Autombobilkaufmann weitere drei offenen Lehrstellen.
Dabei hat sich an der grundsätzlichen Misere der Ausbildungssituation nichts geändert, weiß Barella: »Gerade für schwache Kandidaten mit schlechter schulischer Allgemeinbildung ist es sehr eng.« Um so größer sind die Erwartungen des Ausbildungsprofis an so genannte theoriegeminderte Berufe. Barella:»Darüber muss man verstärkt nachdenken.« Bestes Beispiel ist der Automobilservicemechaniker. Dieses Berufsbild, von Fachleuten auch liebevoll als »Schrauber« bezeichnet, entspricht dem abgespeckten Bild des Mechatronikers. Die Anforderungen in diesem dreieinhalb Jahre zu lernenden Beruf sind extrem hoch. Manchmal fehlt es eben nicht an der Qualifikation der Schulabgänger, sondern an den Möglichkeiten der Ausbildungsbetriebe. Schließlich haben auch nicht alle Lehrbetriebe höchste elektronische Mess- und Regeltechnik. Klassisches Handwerk mit Instandsetzung von Motor, Getriebe oder Bremsen ist immer gefragt, braucht keinen Mechatroniker. Seit zwei Jahren werden die Servicemechaniker in OWL ausgebildet. Barella: »Ein Drittel aller NRW-Lehrlinge gehört zur Bielefelder Kammer.« Es gibt eine ganze Reihe von Berufsbildern, die eine theoriegeminderte Variante zulassen. Gleichzeitig appelliert Barella einmal mehr an alle Träger von Berufsfindung und Orientierungsmaßnahmen: »Immer noch fixieren sichzu viele junge Menschen auf fünf Berufe, auf Autobranche, Tischler, Anlagenmechaniker, Maler und Friseur.«
Große Erwartungen richtet man in der Handwerkskammer auch an die Möglichkeit, in Kooperation mit den Berufskollegs ein so genanntes »Berufsgrundschuljahr« einzuführen. Auf einen einzelnen Beruf bezogen, könnte das erste Jahr im Schülerstatus am Kolleg absolviert werden, mit einem wöchentlichen Praxistag. Anders herum könnte in den beiden sich anschließenden betrieblichen Ausbildungsjahren der Schulanteil durch Schwerpunktverlagerung reduziert werden auf einen Wochentag. Das Interesse der Bielefelder Kollegs ist groß, freut sich Barella: »Wir müssen einfach dahin kommen, mit den Strukturen wesentlich flexibler umzugehen.« Die »ambulante Lösung« vor Ort zwischen den Bildungsprofis der Handwerkskammern und der Berufskollegs ist für Barella dabei die beste Lösung.

Artikel vom 01.04.2006