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Anerkennung kam erst viel später

Der Schriftsteller Edgar Hilsenrath wird am Sonntag 80 Jahre alt

Von Irma Weinreich
Berlin (dpa). In Deutschland, seiner Heimat, tat man sich mit seiner Anerkennung lange schwer. Heute gehört Edgar Hilsenrath, der an diesem Sonntag 80 Jahre alt wird, zu den bedeutendsten deutsch-jüdischen Schriftstellern.
Vielfach übersetzt; Edgar Hilsenrath.Foto: dpa

Während die ersten Bücher des Holocaust-Überlebenden in England, den USA, in Frankreich und Italien schnell Bestseller wurden, übten sich deutsche Verleger in Zurückhaltung. Trotzdem entschied sich Hilsenrath nach einer langen Odyssee durch andere Länder für eine endgültige Rückkehr ins Land der Täter. Geboren in Leipzig, wuchs Hilsenrath in Halle/Saale auf. Die Flucht aus Nazi- Deutschland führte 1938 zu den Großeltern nach Siret in der Bukowina (Rumänien). Seit 1975 lebt er in Berlin und bereut es nicht.
Vielfach übersetzt, wurden seine Romane in mehr als 20 Ländern veröffentlicht. Als Autor wolle er auch den »Mann auf der Straße«, der »Spannung haben will und Denkanstoß dringend benötigt«, ansprechen, sagte Hilsenrath einmal. Die deutsche Sprache habe er immer wie einen »Schatz gehütet«. Er konnte in anderen Sprachen zwar denken, aber nicht schreiben. Selbst erlittene Demütigungen, Bedrohungen und Todesängste, aber auch das Schicksal fremder Völker sind seine Themen.
Die ungewohnt lustvolle und ironische Trauerarbeit des Zeitzeugen sorgte bei der deutschen Kritik lange für Unverständnis. Vor dem Hintergrund von sechs Millionen ermordeter Juden erschienen Hilsenraths überwiegend im Dialog verfasste Erzählungen manchem als unverantwortlicher »Tabubruch«.
»Berlin... Endstation« ist der Titel seines wahrscheinlich letzten Buches. Der Berliner Dittrich Verlag, der die Herausgabe der ersten deutschen Hilsenrath-Werkausgabe verantwortet, hat die Erinnerungen an Edgar Hilsenraths Rückkehr aus New York in die durch die Mauer geteilte Stadt für den Monat Mai angekündigt.

Artikel vom 01.04.2006