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Der Sonderzug darf da nicht fehlen

Gemeinschaftsausstellung der Brüder Udo und Erich Lindenberg in Berlin

Von Caroline Bock
Berlin (dpa). Rocksänger Udo Lindenberg (59) hat Auszüge aus seinen Stasi-Akten zu Kunstwerken verarbeitet. Das Ganze kann nun in einer Ausstellung in der Bundeshauptstadt betrachtet werden.

Wie auf den Bildern zu sehen ist, beschrieben die DDR-Spitzel Lindenberg 1987 als »Vertreter anarchistischer Grundpositionen« und »konsequenten Friedensanhänger« mit »bewusst fläziger und lässiger Gestik«, der »standardisierte Kleidung« trägt: Filzhut, Röhrenhose, Halbstiefel und T-Shirts, »meist schwarzfarben«. Die Bilder sind in einer Galerie am ehemaligen Berliner Grenzübergang Checkpoint Charlie zu sehen. Dort stellt Udo Lindenberg gemeinsam mit seinem acht Jahre älteren Bruder Erich, der Maler ist, aus.
Der jüngere Lindenberg präsentiert dabei neue Werke, entstanden aus Aquarell- und Likörfarben sowie fotografisches und collagiertes Material auf Leinwand - »panische Malerei«, so nannte der Sänger seine »Likörelle« bei einer Vorabbesichtigung. Auf einem Bild verabschiedet sich ein Cartoon-Udo vom Palast der Republik, wo Lindenberg 1983 sein legendäres DDR-Konzert gab und der gerade abgerissen wird: »Goodbye Bye, Palazzo Prozzo.«
Auch andere Berlin-Bilder und Stationen aus Lindenbergs deutsch-deutscher Karriere fehlen auf den Bildern nicht: Der Sonderzug nach Pankow, auf dem der Rocker natürlich vorne auf der Lokomotive sitzt, oder die Aufnahme, auf der der Sänger dem DDR-Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker eine E-Gitarre überreicht. Seine Stasi-Akten hat Lindenberg vor fünf Jahren erstmals gesehen, erzählte er - »ein Meter hohes Papier«.
Während sein Bruder, der Malerei studiert hat, viel mit Farben, Flächen und Räumen arbeitet und an Mark Rothko erinnert, sind die Bilder von Udo gegenständlich. »Das sind zwei unterschiedliche Imperien«, findet Udo, der sich als »Zauberlehrling« sieht. »Ich schätze seine Talente und beneide ihn um seine Spontanität«, sagt Erich über ihn. Die Brüder hatten bereits in Goslar eine gemeinsame Ausstellung, in Berlin ist es eine Premiere.
Die Ausstellung in der Galerie Seitz & Partner - Galerie Tammen am Checkpoint Charlie (Friedrichstraße 210, die offizielle Eröffnung war für Freitagabend geplant) ist bis zum 30. April zu sehen. Den beiden Brüdern sind dabei getrennte Räume gewidmet, damit die jeweiligen Kunstwerke richtig zur Geltung kommen.

Artikel vom 01.04.2006