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Sport und die Schöngeister

Ausstellung in Lübeck will mit Vorurteilen aufräumen

Von Eva-Maria Mester
Lübeck (dpa). Vom Sport in der Literatur und sportlichen Literaten handelt die Ausstellung zur Fußball-WM im Lübecker Buddenbrookhaus. Unter dem Titel »SportsGeist. Dichter in Bewegung« räumt sie mit dem Vorurteil auf, dass Schriftsteller weltfremde Schöngeister seien.
Nie aktiv Fußball gespielt: Günter Grass.Foto: dpa

»Schriftsteller waren früh dabei. In einer Zeit, als der Sport noch eine Sache der Reichen und Intellektuellen war, haben sie eine regelrechte Welle losgetreten«, sagt Maren Ermischer, die die Ausstellung wissenschaftlich betreut. Bei ihrer Arbeit ist die Literaturwissenschaftlerin auf die eine oder andere Überraschung gestoßen. »Ich war erstaunt zu sehen, dass so viele Schriftsteller große Boxfans waren und auch geboxt haben«, berichtet sie.
Bertolt Brecht versäumte zum Beispiel keinen Boxkampf im Berliner Sportpalast, Vladimir Nabokov arbeitete in den 1920er Jahren unter anderem als Box- und Tennislehrer in Berlin und Vicky Baum ging um 1930 regelmäßig in ein Fitness-Studio zum Boxtraining. Mit nacktem Oberkörper und ausgestreckten Fäusten mimte Ernest Hemingway auf einem Foto seiner Jugendzeit den Boxer John J. Sullivan. Hemingway, der auf einer Sportschule Boxen gelernt hatte, verdingte sich in jungen Jahren sogar als Sparringspartner, um etwas Geld zu verdienen. 1924 erschien seine Kurzgeschichte »50 000 um eine Viertelmillion« über einen Boxkampf. Die Figur des Boxers taucht immer wieder in den Werken des Nobelpreisträgers auf.
Weniger sportlich war dagegen Thomas Mann. Spazieren gehen, Wandern und Radfahren waren die größten körperlichen Anstrengungen, zu denen er sich hinreißen ließ. Eine weitere Überraschung: Günter Grass, der als großer Fußballfan gilt, hat selbst nie aktiv gespielt. »Das haben wir erfahren, als wir nach einem Fußballbild von ihm gesucht haben. Stattdessen zeigen wir in der Ausstellung zwei Originalgrafiken aus seinem Werk »Mein Jahrhundert«, in dem Sportereignisse so etwas wie ein roter Faden sind«, sagt sie.
Die Ausstellung im Lübecker Buddenbrookhaus, die am 9. April eröffnet wird, zeigt Fotos von Dichtern beim Sport und beweist anhand von Originaldokumenten und Zitaten aus ihren Werken, wie der Sport ihre Arbeit beeinflusst hat. Anstelle eines Kataloges ist ein Begleitbuch »Sportsgeist. Dichter in Bewegung« von Elisabeth Tworek und Michael Ott im Arche Verlag erschienen. (152 Seiten, 86 Fotos, 17,- Euro, ISBN 3-7160-2354-X).

Artikel vom 30.03.2006