30.03.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

33 Orchester wurden aufgelöst

Deutsches Musikinformationszentrum beklagt »Trend zu Kürzungen«

Von Dietmar Kemper
Bonn/Frankfurt (WB). Das Musikleben in Deutschland ist leiser geworden. Die Zahl der öffentlich finanzierten Sinfonie- und Kammerorchester sank von 1992 bis heute um 33 auf 135. Die Planstellen für Musiker verringerten sich um 16 Prozent.

»Obwohl Deutschland das Land der Musik und Heimat großartiger Komponisten ist, drohen die über Jahrhunderte gewachsenen Strukturen ausgehöhlt zu werden«, sagte Stephan Schulmeistrat gestern dieser Zeitung. Überall im Musikbereich sei »der Trend zu Kürzungen erkennbar«, beklagte der Wissenschaftliche Mitarbeiter des Deutschen Musikinformationszentrums (MIZ) in Bonn. Die Einrichtung hat eine Bestandsanalyse vorgenommen und dabei ermittelt, dass Bund, Länder und Kommunen mit einem Drittel ihrer Kulturausgaben, zusammen 2,4 Milliarden Euro, die Musik fördern. Das Gros, nämlich 1,6 Milliarden Euro, bekommen die Musiktheater und Symphonieorchester.
Viele Einrichtungen müssten »mit zum Teil massiven Etatkürzungen ihren Betrieb aufrecht erhalten«, kritisiert das MIZ. Trotz der Alarmzeichen stehe Deutschland im weltweiten Vergleich noch gut da. Stephan Schulmeistrat: »Wir haben die meisten Opernhäuser, Orchester, Musikhochschulen und Musikschulen.« Von letzteren gibt es mehr als 1000 zwischen Flensburg und Garmisch. Sie unterrichten Instrumental- und Gesangunterricht und betreiben musikalische Früherziehung.
Mehr als sieben Millionen Deutsche singen in Chören, spielen in Sinfonie-, Blas-, Zupf- und Akkordeonorchestern oder in den etwa 50 000 Rock- und Pop-Gruppen. Deutschland zeichne eine »Gründungswelle von Festivals« aus, berichtet das Musikinformationszentrum: Demnach ist die Zahl der Festivals von 136 im Jahr 1994 auf mittlerweile 400 hochgeschnellt. Schulmeistrat forderte die Schulleiter auf, den Musikunterricht wichtiger zu nehmen: »Es fallen immer mehr Stunden aus. Dabei ist die musikalische Bildung der Kinder wichtig für die Zukunft unseres Kulturlebens.«
Mit der Rekordzahl von 1591 Ausstellern hat gestern in Frankfurt die viertägige Musikmesse begonnen. Zu sehen und zu hören sind mehr als 30 000 Instrumente - darunter eine E-Gitarre, die sich selbst stimmt, ein elektronisches Schlagzeug, das am Körper getragen werden kann, und Keyboards, die via Bildschirm dem Benutzer die richtigen Tasten anzeigen.
»Music4kids« heißt es in der Kinderhalle, die 8- bis 14-Jährige ans Musizieren heranführen soll. Da singen Julia (7) und Joel (7) ins Mikrofon, Remzo (9) versucht sich derweil an der Trompete, »weil die so schöne Klänge macht«. Trommeln und Flöten stehen für die 5000 erwarteten Kinder bereit - zudem lernen die Nachwuchsmusiker, dass selbst Glasflaschen und Kanalrohre harmonische Töne erzeugen. Im vergangenen Jahr zog die Musikmesse knapp 93 000 Besucher an. Am Samstag ist sie auch für das allgemeine Publikum geöffnet. Seite 4: Kommentar

Artikel vom 30.03.2006