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»Antwort auf Verbrechen«

Hamas-Regierung rechtfertigt erstes Selbstmordattentat seit Monaten

Jerusalem (Reuters). Nach dem ersten palästinensischen Selbstmordattentat seit Monaten hat Israel am Freitag Luftangriffe auf den Gazastreifen geflogen.
Der Attentäter hatte sich zwei Tage nach der israelischen Parlamentswahl als orthodoxer Jude verkleidet und vier Israelis mit in den Tod gerissen.
Die neue Hamas-Regierung der Palästinenser rechtfertigte gestern den Anschlag als »natürliche Antwort auf israelische Verbrechen« und Ministerpräsident Ismail Hanija betonte das Recht seines Volkes, »mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln zu reagieren«. Die israelische Regierung warf den Palästinensern vor, nichts gegen den Terror zu unternehmen.
Der Anschlag war der erste dieser Art seit zwei Monaten und seit dem überraschend klaren Wahlsieg der radikal-islamischen Hamas im Januar, die am Mittwoch die Regierung übernahm. Zu der Tat bekannten sich die Al-Aksa-Brigaden, ein radikaler Flügel der Fatah-Bewegung von Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas.
Dieser verurteilte den Anschlag und forderte alle Gruppen auf, die seit einem Jahr gültige Waffenruhe zu respektieren. Die Al-Aksa-Brigaden kündigten weitere Anschläge an: »Unsere Märtyrer stehen bereit und sie werden Blut mit sich bringen.«
Israelischen Regierungsvertretern zufolge liegen dutzende Warnungen vor Anschlägen vor. »Die Palästinenser reagieren darauf aber absolut gleichgültig und tun nichts, um die Terroranschläge zu verhindern«, sagte David Baker aus dem Büro des amtierenden Ministerpräsidenten Ehud Olmert.
Der Attentäter hatte sich am späten Donnerstagabend in der Nähe des Eingangs zur Siedlung Kedumim wie ein Anhalter an die Straße gestellt und Fahrer und Mitfahrer eines israelischen Autos dazu gebracht, ihn einsteigen zu lassen. Dann brachte er seine Sprengsätze zur Explosion.
Nach dem Anschlag nahmen israelische Soldaten acht Verdächtige fest, darunter den Bruder des Attentäters.
In den frühen Morgenstunden beschoss die israelische Armee unter anderem eine Brücke, die ihren Angaben zufolge häufig von Extremisten zum Abschuss von Raketen auf Israel benutzt wird. Dabei sei die Hauptwasserleitung der Region beschädigt worden. Es lägen aber keine Berichte über Verletzte vor, teilten palästinensische Rettungsdienste mit.
In Gaza wurde bei der Explosion seines Fahrzeugs einer der beiden Hauptkommandeure des Komitees für den Volkswiderstand getötet, das für viele Raketenangriffe auf Israel verantwortlich ist.
Das Komitee lastete die Explosion des Israelis an. Die israelische Armee wies dies zurück und erklärte, sie habe nichts mit der Explosion zu tun.
Nach dem gewaltsamen Tod des Hauptkommandeurs haben sich palästinensische Extremisten ein Gefecht mit palästinensischen Sicherheitskräften geliefert. Die Mitglieder des Komitees für Volkswiderstand warfen die Sicherheitskräften Augenzeugen zufolge vor, in die Explosion des Autos ihres Anführers im Gazastreifen verwickelt zu sein.
Das Komitee ist eine Dachorganisation von Extremisten im Gazastreifen, die sich der vor mehr als einem Jahr erklärten Waffenruhe nicht angeschlossen hat.
Hanija warf unterdessen der Europäischen Union und den USA Rassismus gegen sein Volk vor. Die Politiker dieser Staaten sollten sich der Doppelmoral schämen, in der sie ihre Forderungen ausschließlich an die Palästinenser stellten, schrieb Hanija in einem Meinungsartikel für die britische Zeitung »Guardian«. »Unsere Botschaft an die Weltmächte ist: Redet mit uns nicht über die Anerkennung des Existenzrechts Israels oder ein Ende des Widerstands, solange ihr Israel nicht darauf verpflichtet, sich von unserem Land zurückzuziehen und unsere Rechte zu respektieren.«

Artikel vom 01.04.2006