29.03.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Zaungäste sind erwünscht

Norbert Meiers Fotoinstallation bei den Stadtwerken

Von Uta Jostwerner
und Bernhard Pierel (Foto)
Bielefeld (uj). Vorweg eine Entwarnung: Der Mann, der sich seit einigen Tagen an der Schildescher Straße verdächtig am Zaun der Stadtwerke zu schaffen macht, tut nichts Illegales. Im Gegenteil: Norbert Meier macht in Kunst. Fotokunst, genau genommen.

Meiers Lamellenbilder und Fotoobjekte sind legendär. Je nachdem, welche Perspektive der Betrachter einnimmt, gewinnt er stets andere Einblicke. Nach dem gleichen Prinzip funktionieren die Lamellenbilder, die der Fototischler derzeit am Zaun des Stadtwerke-Betriebsgeländes zwischen Schildescher, Brüggemann- und Beckhausstraße anbringt. Es handel sich um 15 großformatige, historische Aufnahmen des Stadtwerke-Geländes. Sie sind Teil der großen Jubiläumsausstellung, die der städtische Energieversorger aus Anlass seines 150-jährigen Bestehens vom 6. April an zeigt. Dann werden neben Meiers Bildinstallationen 60 historische Fotos und Dokumente zur Geschichte der Stadtwerke im Foyer des Stadtwerke-Hochhauses zu sehen sein.
Bis dahin steht dem Künstler noch die reinste Sisyphus-Arbeit bevor. Im Durchschnitt bilden jeweils 34 Zinken den Träger für ein Foto, das auf wetterfeste Folie belichtet und in drei Zentimeter breite Streifen geschnitten wurde. Ein Spezialkleber verbindet Folie und Metall miteinander, vorausgesetzt, die Temperaturen stimmen. »Dazu braucht's mindestens zehn Grad«, sagt Meier, dem der nicht enden wollende Winter fast einen Strich durch die Rechnung gemacht hätte.
Zudem braucht er fast doppelt so lange, weil er ständig von Passanten angesprochen wird. »Die reagieren durchweg positiv auf die Aktion«, betont Meier, der sich selbst »Fototischler« nennt. Mittlerweile trägt er bei seinen Klebearbeiten einen blauen Overall. Der erweckt den Anschein, offizieller Mitarbeiter der Stadtwerke zu sein. Zuvor sei er von selbsternannten Sheriffs regelrecht angefeindet worden. Auch eine Begegnung mit Kampfhunden gehört zu den weniger angenehmen Seiten seines Künstlerdaseins, das vom Wunsch geprägt ist, Erinnerungen wachzurufen.
»Das Stadtbild verändert sich ständig. Schon nach kurzer Zeit können wir uns nicht mehr erinnern, wie es früher einmal ausgesehen hat«, sagt Meier, der ganz in der Nähe des Stadtwerke-Geländes lebt und die Veränderungen zum Teil selbst fotografisch festgehalten hat - beispielsweise den Abriss des Gasometers 1999.
Wer nun etwa die Schildescher Straße entlanggeht, macht eine Zeitreise in die Vergangenheit. Der Betrachter sieht perspektivisch annähernd korrekt, wie es dort früher einmal ausgesehen hat. Von der Schildescher Straße aus werden das erste Elektrizitätswerk, das um 1900 erbaut wurde, sowie die Wagenhallen der Straßenbahn um 1912 zu sehen sein. Steht er indes vor dem Zaun, erblickt er das gegenwärtige Gelände. Norbert Meier verbindet somit das Gestern mit dem Heute. »Stand- und Zeitpunkte haben mich immer interessiert«, sagt der Künstler, der an den Orten Erinnerungen wachrufen und explizit nicht an die Orte erinnern möchte.
Der gebürtig aus Rahden stammende Meier (45) absolvierte zunächst eine Ausbildung zum Modelltischler, ehe er an der FH Bielefeld Film- und Fotodesign studierte.
Die Ausstellung »Energie, die bewegt -Ê 150 Jahre Stadtwerke Bielefeld« wird am Donnerstag, 6. April, um 18 Uhr im Foyer der Stadtwerke an der Schildescher Straße 16 eröffnet.

Artikel vom 29.03.2006