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Verletzungsbedingt räumte »König Fußball« seinen Thron: Der Arzt verordnete dem lädierten Bein strikte Ruhe.

Attacke mit Pfeil und
Bogen: Schüsse auf Fans

In Paris wird Werner Weih von Hooligans angegriffen

Von Matthias Meyer zur Heyde
»Die haben sogar mit Pfeil und Bogen auf uns geschossen!« Acht Jahre nach den deprimierenden Ereignissen von Paris sind die Wunden immer noch nicht geheilt. Kein Wunder: Weil eine Horde Hooligans die WM 1998 in Frankreich zur Austragung ihrer rituellen Stammeskämpfe missbrauchte, konnte der schwer verletzte Werner Weih kein einziges Spiel direkt verfolgen.

Der »König Fußball« aus Bielefeld hatte seinen Thron im grenznahen Pirmasens aufgeschlagen, wo sein Bruder wohnte. Von dort aus ließen sich die Spielorte der deutschen Elf in akzeptabler Zeit erreichen, und Werner Weih parkte seinen Wagen im Herzen von Paris. Eine Karte für das Auftaktspiel gegen die USA besaß er natürlich längst - die Schwarzhändler vor Ort verlangten bis zu 1000 Mark.
»Als wir uns dem Stadion näherten, rotteten sich in einer Nebenstraße bereits die Gewalttäter zusammen.« Ein internationaler Mob, wie anhand der Handy-Gespräche der jugendlichen Irren leicht festzustellen war formierte sich zur Attacke. »Die machten Randale, und sobald die Polizei heranstürmte, mischten sie sich unter uns Fans - als ob sie kein Wässerchen trüben konnten. Sie telefonierten und verabredeten die nächste Attacke. Unverschämt!«
Gleich beim ersten Angriff der Hooligans verspürte Werner Weih einen dumpfen Schmerz im linken Knie, wurde aber von der Aufregung ringsum abgelenkt und schaute nicht näher hin. Zu seinem Entsetzen jedoch entdeckte er später einen richtigen Pfeil mit scharfer Metallspitze neben sich auf dem Pflaster. »Den hab ich aufgehoben, aber dann doch Bedenken bekommen: Was, wenn die Polizisten das Ding bei mir gefunden hätten? Also hab ich den Pfeil schnell wieder weggeworfen.«
Doch die Situation war ohnehin bereits völlig verfahren: »Ohne zwischen uns friedfertigen Fans und den brutalen Krawallos zu unterscheiden, drängte uns die Polizei in ein paar Busse und verfrachtete uns in ein leerstehendes Stadion. Auf der Videotafel durften wir dann das 2:0 gegen die Amerikaner sehen.« Werner Weih ist noch heute empört. »Ein Glück nur, dass in Paris nicht auch so schlimme Verletzte zu beklagen waren wie der ins Koma geprügelte Polizist in Lens.«
Nächstes Ärgernis: »Im Gedränge vor dem Stadion hatte man mir mein Schlüsselbund gestohlen.« Doch der verhinderte Fußballfan hatte Glück im Unglück: Im Portemonnaie ruhte wohlverwahrt ein Ersatzschlüssel. Allerdings keiner fürs Tankschloss . . .
»Lange nach Mitternacht bin ich aus dem Parkhaus rausgekommen und mit dem letzten Tropfen Benzin Richtung Pirmasens geschlichen. Eine rund um die Uhr geöffnete Tankstelle war die Rettung - der Tankwart musste allerdings das Tankschloss aufbrechen.«
Am nächsten Morgen kam das endgültige Aus: »Ich wachte mit einem dick angeschwollenen Knie auf und kam kaum bis ins Bad.« Die Ärzte im Krankenhaus diagnostizierten einen Meniskusschaden, einen Bänderriss und eine Verletzung des Gelenkbeutels. »Ich kriegte zwei Krücken, und man verordnete mir 14 Tage größtmögliche Ruhe.« Noch heute, vor allem bei längeren Ausflügen, spürt er die alte Verletzung.
»König Fußball« immobilisiert! Das traurige Schicksal von Deutschlands bekanntestem Fan alarmierte auch die lokale Presse: Die »Pirmasenser Zeitung« besuchte den Patienten, ein Redakteur verfolgte mit Werner Weih das nächste Spiel der Deutschen, das - man ahnt es - nicht gerade zu Jubelhopsern animierte: 2:2 gegen Jugoslawien.
»Im Viertelfinale sind Berti Vogts' Jungs dann mit 0:3 gegen die Kroaten sang- und klanglos eingegangen. Da war ich längst zurück in Bielefeld.« Im Endspiel hätte Werner Weih alles auf die Brasilianer gesetzt, doch die gastgebende Equipe Tricolore spielte Südamerikas Ballzauberer elegant an die Wand (3:0). Persönliches Fazit: »Diese Weltmeisterschaft - meine neunte - kann ich getrost vergessen . . .«

Artikel vom 03.06.2006