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Im Bundestagswahlkampf 2005 besuchte die heutige Kanzlerin Angela Merkel Bielefeld - hier mit Oberbürgermeister Eberhard David und Kreisvorsitzendem Marcus Kleinkes (li.). Foto: Carsten Borgmeier

Die Gründerväter und
die Rollkragen-Riege

Der Weg der Union zu einer modernen Volkspartei

Von Michael Schläger
Bielefeld (WB). Die Oetkerhalle bot den festlichen Rahmen für eine historische Veranstaltung. Am 2. März 1946 fand dort die Gründungsversammlung einer neuen Partei statt: der Christlich Demokratischen Union. Ihren 60. Geburtstag feiert die Bielefelder CDU am 29. April mit einem Kreisparteitag, zu dem auch Ministerpräsident Jürgen Rüttgers als Festredner erwartet wird.

Schon einige Monate vor der Gründungsversammlung, am 25. November 1945, waren im Ratskeller fünf Männer damit beauftragt worden, bei der britischen Militärregierung die Gründung einer christlichen Partei zu beantragen. Der Architekt Bernhard Kramer, der Weinhändler Franz Biermann, der Bücherrevisor Max Will, der Tischler Heinrich Haselhorst und der Bote Franz Kirchhof reichten das Gesuch schließlich ein. Als erster Kreisvorsitzender wurde bei der Gründungsversammlung Bernhard Kramer gewählt.
Von der Bielefelder Ärztin Dr. Viktoria Steinbiß ist überliefert, dass sie den ersten deutschen Bundeskanzler Konrad Adenauer bei langen Parlamentssitzungen gelegentlich mit einem Stück Schokolade bei Laune hielt. Steinbiß zog 1949 über die Landesliste für die Union in das Bonner Parlament ein. Der Lastenausgleich und die Integration der Kriegsflüchtlinge waren ihre Wahlkampfthemen, aber auch ein Bereich, der bis heute aktuell geblieben ist. Sie stritt »für den besonderen Schutz der berufstätigen Frau und ihre gerechte Entlohnung.« Ohnehin hatte sie einen legendären Ruf, galt schon zu ihrer Zeit als »der einzige Mann in der Bielefelder CDU«, weil sie mit ihren Ansichten nie hinter dem Berg hielt.
Steinbiß gehörte dem Bundestag bis 1961 an. Die Bielefelder CDU entsandte auch Johannes Kunze (1949 bis 1957), Karl Hahn (1957 bis 1969), Helmut von Bockelberg (1969 bis 1976), Karl Bewerung (1969 bis 1972), Dr. Ottfried Hennig (1976 bis 1980), Dr. Reinhard Meyer zu Bentrup (1976 bis 1994), Detlef Helling (1996 bis 1998, 2002) und Lena Strothmann (seit 2002) ins höchste deutsche Parlament.
Auf 25 Jahre im Europaparlament kann Elmar Brok in diesem Jahr zurückblicken und hat es auf dem internationalen Parkett zu hohem Ansehen gebracht. Zahlreiche CDU-Landtagsabgeordnete vertraten Bielefeld im nordrhein-westfälischen Landtag. Rainer Lux, auch Fraktionschef im Rat, gelang es 2005 zum ersten Mal seit Franz Mader, sein Mandat im Bielefelder Süden wieder direkt zu holen.
Zwei Oberbürgermeister stellte die Union seit ihrer Gründung. Rudolf Nierhoff amtierte von 1961 bis 1963, Eberhard David war von 1989 bis 1994 ehrenamtlicher OB. 1999 schaffte er als erster direkt gewählter hauptamtlicher Oberbürgermeister den Sprung auf den Rathaus-Chefsessel und konnte den Wahlerfolg 2004 wiederholen.
Jahrzehntelang war der Rat von der SPD dominiert. Vor 17 Jahre gelang es erstmals, diese Vorherrschaft in einer Koalition mit Bürgergemeinschaft und FDP zu brechen. Auch 1999 hatte Rot-Grün bei den Kommunalwahlen keine Chance.
Zwölf Vorsitzende zählte die CDU Bielefeld in den sechs Jahrzehnten ihres Bestehens. Am längsten amtierte Walter Tacke. Er war 19 Jahre von 1973 bis 1994 im Amt, ist inzwischen Ehrenvorsitzender der Partei und in der Bezirksvertretung seines Heimatbezirkes Stieghorst noch immer kommunalpolitisch aktiv.
Die Partei wäre nichts ohne ihre »Urgesteine«. Friedhelm Schürmann war so eines. Als Bürgermeister setzte er sich für das Wohl der Stadt ein, genoss auch über Parteigrenzen hinweg hohes Ansehen Herbert Koitka zählte dazu, der wie Schürmann auch als OB-Kandidat ins Rennen ging, oder der langjährige Schatzmeister Ernst-August Delius. Und christdemokratische Urgesteine dürfen sich inzwischen auch schon jene nennen, die in den 70er Jahren noch der »Rollkragen-Riege« der Jungen angehörten wie Rainer Lux oder Angelika Gemkow. Amtierender Kreisvorsitzender ist heute Marcus Kleinkes. Stolz ist er darauf, dass unter den mehr als 1200 Mitgliedern viele Jüngere sind. Auf den Nachwuchs muss er auch zählen können. Denn sein Ziel ist es, das bestehende politische Patt im Stadtparlament wieder zugunsten einer bürgerlichen Mehrheit aufzuheben.

Artikel vom 14.04.2006