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Moussaoui: Flugziel Weißes Haus

Überraschendes Bekenntnis im Prozess um Verhängung der Todesstrafe

Von Deborah Charles
Alexandria (Reuters). Der einzige US-Prozess im Zusammenhang mit dem 11. September 2001 hat mit einem neuen Bekenntnis des Angeklagten Zacarias Moussaoui eine überraschende Wendung genommen.
Der Angeklagte Zacarias Moussaoui, gesehen vom Gerichtszeichner.
Der Kaida-Anhänger sagte entgegen früherer Angaben, er habe an jenem Tag ein fünftes Flugzeug entführen und dieses ins Weiße Haus steuern sollen. Zudem habe er bei seiner Festnahme drei Wochen vor den Anschlägen von den Angriffsplänen auf das World Trade Center gewusst und die Bundespolizei FBI belogen.
Moussaoui hat sich bereits schuldig bekannt. Bei dem Verfahren geht es nun noch um die Frage, ob er zum Tode verurteilt wird.
Der Prozess war ins Wanken geraten, weil wichtige Zeugen vom Verfahren ausgeschlossen wurden. Eine inzwischen suspendierte Regierungsanwältin soll sie unerlaubt beeinflusst haben. Die Ankläger erwogen deshalb zwischenzeitlich, von ihrer Forderung der Todesstrafe für Moussaoui abzurücken. Richterin Leonie Brinkema ließ aber unterdessen unter strengen Auflagen neue Zeugen zu und sagte, der Fall könne heute den Geschworenen zur Beratung übergeben werden.
Im Gegensatz zu seinen früheren emotionalen Ausbrüchen sprach Moussaoui am Montag vor dem Gericht im Bundesstaat Virginia mit ruhiger und sachlicher Stimme. Er sei 1999 gefragt worden, ob er ein Selbstmordpilot werden wolle, erklärte er. Zunächst habe er dies abgelehnt. Er habe dann jedoch geträumt, wie er ein Flugzeug ins Weiße Haus steuere. Über den Traum habe er später mit El-Kaida-Chef Osama bin Laden gesprochen.
»Ich sollte ein Flugzeug steuern, um das Weiße Haus zu treffen«, sagte der Franzose marokkanischer Abstammung. Auch der »Schuhbomber« Richard Reid sollte im fünften Flugzeug sitzen. Reid wurde im Dezember 2001 von Passagieren eines Fluges von Paris nach Miami überwältigt, als er eine in seinem Schuh versteckte Bombe zünden wollte. Er wurde im Januar 2003 zu lebenslanger Haft verurteilt. Bisher hatte Moussaoui ausgesagt, er habe Teil einer zweiten Attentatswelle sein sollen.
An dieser Version hielt am Montag auch der inhaftierte Chalid Scheich Mohammed fest, der als Drahtzieher des Komplotts vom 11. September gilt. Nur kurze Zeit nach Moussaouis neuer Erklärung widersprach Mohammed dem Angeklagten in einer schriftlichen Aussage. Mohammed bekräftigte, Moussaoui sei sehr wohl für eine zweite Anschlagsserie vorgesehen gewesen, nicht aber für den 11. September.
Moussaoui sagte während seiner fast dreistündigen Aussage weiter, er habe erst nach und nach von den Einzelheiten der Anschläge erfahren. Den genauen Zeitpunkt habe er bei seiner Festnahme am 16. August 2001 nicht gekannt. »Ich wusste, dass Mohammed Atta etwas mit diesem Einsatz zu tun hatte. Ich wusste ganz sicher, dass das Weiße Haus und das World Trade Center getroffen werden sollten.« Er habe das FBI angelogen, um sicher zu stellen, dass der Angriff erfolgreich sein würde.
Bei den Anschlägen wurden 3000 Menschen getötet. Moussaoui spricht nicht mit seinen Pflichtverteidigern und hat mehrfach versucht, sie zu entlassen. Die Staatsanwaltschaft will beweisen, dass Moussaouis Lügen in seinem Polizeiverhör die Anschläge ermöglicht hätten. Dann könnte gegen ihn die Todesstrafe verhängt werden.

Artikel vom 29.03.2006