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Gags und Gespenster

Die Ball-Branche lachte über Calmund - heute nicht mehr

Von Klaus Lükewille
Leverkusen (WB).Das Transparent war nicht zu übersehen. »Wann platzt Calmund?« Auch Reiner Calmund hat das damals selbstverständlich gelesen - und darüber nur gegrinst.

Ja, für einen Spaß, für einen Gag oder für einen flotten Spruch, da war der »Calli« während seiner langen Amtszeit als allmächtiger Manager von Bayer Leverkusen immer zu haben. Ein paar dicke Dinger haute das Schwergewicht bei jeder Gelegenheit raus.
Und die Liga lachte über ihn. Deshalb war Calmund stets ein gern gesehener Gast vor Kameras und Mikrofonen. Da kam was rüber, garantiert.
War das witzig, als Calmund einst im Sport-Studio des ZDF verraten hat, wie er Andreas Thom als ersten Nationalspieler aus dem Osten in den Westen lockte: »Da hatte ich Spielzeug in der Tasche, habe mit Thoms Kindern am Boden gelegen und gebastelt.«
Am Boden lag danach auch so mancher TV-Zuschauer - und kugelte sich. Ja, dieses Schlitzohr aus Leverkusen, er kannte eben alle Tricks. So holte er jahrelang die Asse zum Werks-Klub. Sein Rezept: viel Geld - und warme Worte. Wenn die Zusammenarbeit mit einem Weltstar beim Werksclub dann mal nicht funktionierte, verkaufte Calmund die Trennung auch noch leicht und locker.
Wie im Fall Bernd Schuster. Der wurde zuerst gefeiert, danach bald wieder abgeschoben. Und was sagte der Manager dazu? »Ach, wir hatten doch eine sehr schöne Zeit mit dem Bernd. Nur zuletzt, da war es nit mehr so schön.«
Ähnlich freundlich formulierte Abschiedsadressen schickte der »Calli« auch dem »Steppi«, dem »Berti« und dem »Toppi« hinterher. Die Fußball-Lehrer Dragoslav Stepanovic, Berti Vogts und Klaus Toppmöller - von Calmund mit großem Getöse engagiert und anschließend höflich aussortiert.
So hat er 27 Jahre in Bayer-Diensten gearbeitet, der Leverkusener XXL-Manager, der nie ein Leisetreter war und bevorzugt in Slippern daher kam. Wie übrigens auch Ex-Bundeskanzler Helmut Kohl. Denn die Herren haben das gleiche Problem mit der Eigenbearbeitung von Schnürsenkeln.
Auf den »Senkel« geht Calmund inzwischen aber vielen in der Ball-Branche. Wer lacht da noch? Nicht mal er selbst. Denn Calmund drückte zu stark auf die Tränendrüse, als er sich nach den ersten Veröffentlichungen der Untreue-Vorwürfe laut beklagte: »Zwei Ehen sind gescheitert. Ich habe meine Kinder kaum gesehen. Bayer war mein Leben.«
Ja, aber er wurde schließlich nicht in den angeblich so nerven- und zeitraubenden Job gezwungen. Im Gegenteil. Er hat ihn genossen. Er war immer dick drin. Als Spielerjäger und Experte, als Quasselstrippe und Spaßvogel.
Gar nicht mehr lustig ist nach dem Manipulations-Verdacht von heute ein Spruch von gestern. Damals, im Mai 2003, als Leverkusen der Absturz drohte, gab Calmund zum Besten: »Wenn ich nachts schweißgebadet aufwache, dann liegt das Abstiegsgespenst immer neben mir im Bett.« Ob da überhaupt noch genug Platz war? Kein Raum ist in jedem Fall inzwischen für diesen »Gag« - der wirkt jetzt geradezu gespenstisch.

Artikel vom 29.03.2006