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»GANG« will Kreislauf von
Gewalt unterbrechen helfen

Spende von Rotary Bielefeld-Süd ermöglicht Projekt

Von Ulrich Hohenhoff
(Text und Foto)
Ummeln (WB). »Ich heiße Andrej und bin Gewalttäter.« So beginnt ein Interview mit einem 25-Jährigen, der derzeit eine 14-monatige Haftstrafe absitzt. Zu sehen und zu hören in einer Präsentation des evangelischen Gemeindedienstes im Johanneswerk, der gemeinsam mit dem Institut für Kirche und Gesellschaft in Iserlohn und der Justizvollzugsanstalt (JVA) Brackwede II das Anti-Gewalt-Training »GANG« betreibt, finanziell unterstützt und gefördert vom Rotary-Club Bielefeld-Süd.

Dessen Präsident, Dr. Wolf Ebmeyer, überreichte gestern einen Spendenscheck über 2 750 Euro. Bereits im vergangenen Jahr hatten die Rotarier dem Projekt »GANG« mit einer Spende unter die Arme gegriffen. Der Leiter der JVA, Uwe Nelle-Cornelsen, Christian Bakemeier, Abteilungsleiter Integrative Hilfen des evangelischen Gemeindedienstes, und Birgit Konopka, Justizvollzugebeamtin und mit »GANG« im Alltag hautnah befasst, freuten sich über die große Summe, die in diesem Jahr den Fortbestand des Projektes sichert. Kirchliche Fördergelder stehen nicht mehr zur Verfügung.
Der eingangs zitierte Andrej spricht fließend deutsch, wirkt sympathisch und freundlich - doch immer wieder schlug er zu. Dank »GANG« hat er nun gelernt, mit seinen Aggressionen umzugehen. So wie ihm ist es vielen anderen gewalttätigen Gefangenen ergangen, die einen Platz bei dem begehrten Training ergatterten. Birgit Konopka: »Wir haben drei Mal so viele Bewerber wie wir Platz haben.« Seit 2002 wird »GANG« - die Buchstaben stehen für »Gewaltig, aber nicht gewalttätig« - in der Justizvollzugsanstalt angeboten. Und um die freiwillige Teilnahme müssen sich Interessierte bewerben. Dabei werden die Bereitschaft, das eigene Verhalten zur Disposition zu stellen, der Wunsch, gewalttätiges Verhalten zu ändern, die psychische Belastbarkeit und die Gruppenfähigkeit getestet. 55 Strafgefangene haben bisher an dem jeweils einwöchigen Training teilgenommen. »Mit durchaus positivem Erfolg - bei allen Schwierigkeiten«, sagt Justizvollzugsbeamtin Birgit Konopka und weist darauf hin, dass im vergangenen Jahr auch Probanden der Bewährungshilfe, des Hauses Nordpark, Klienten der ambulanten Bielefelder Beratungsstellen und Inhaftierte der Justizvollzugsanstalten Attendorn und Castrop von dem in einer externen Bildungsstätte durchgeführten Programm profitierten.
Vor dem Hintergrund wachsender Gewaltkriminalität - männliche Jugendliche und Heranwachsende (und unter denen die Nichtdeutschen) sind dabei überrepräsentiert - verfolge »GANG« das Ziel, oftmals in der Familie angelegte Gewaltbereitschaft und Gewalttätigkeit als Kreislauf zu unterbrechen, den Täter zum Verzicht auf Gewalt zu bewegen, sagte Christian Bakemeier. »Gewalt erzeugt wieder Gewalt, aus Opfern werden Täter. Die müssen lernen, bedrohliche Situationen anders zu bewerten und Verantwortung für ihr Handeln zu übernehmen. Auf Gewalt zu verzichten, ist ein Lernprozess, der professionelle Begleitung und Unterstützung braucht.«

Artikel vom 30.03.2006