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Massenblätter schüren »Britskrieg«

Die Stimmungslage in England: chauvinistische und versöhnliche Töne

London (dpa). Englands Massenpresse beginnt sich wieder auf die »Krauts« einzuschießen und haben sogar den Geist von Adolf Hitler durch das WM-Quartier der englischen Fußballer spuken lassen.
Englands Trainer Sven-Göran Eriksson: Besonnene Worte an die Adresse der Fans. Foto: dpa

Monate vor der Weltmeisterschaft feiern nationalistische Übersteigerungen in den Boulevardblättern Urstände mit dem Versuch, einen neuen »Fußball-Krieg« gegen den deutschen Gastgeber anzuheizen. Böse Erinnerungen an die EM 1996 auf der Insel werden wach, als Hurra-Patriotismus und anti-deutsche Kampagnen sogar das britische Unterhaus beschäftigten.
»Den Hitlergruß zu präsentieren, ist auch für Briten kein Gag«, sagte kürzlich der britische Innenminister Charles Clarke. Seine Warnung wie auch der Aufruf von Nationaltrainer Sven-Göran Eriksson, die Gastgeber bei der WM nicht zu beleidigen, ist auf taube Ohren gestoßen: Oliver Kahn erschien unlängst in einer Fotomontage mit Stahlhelm.
Nach der Auslosung erklärte das Massenblatt »Sun« den Deutschen den »Britskrieg« (eine Ableitung von »Blitzkrieg«) und klagte die WM-Macher an, sie würden die englischen Gäste auf der Tribüne mit Sicherheitsrobotern provozieren. Die mit Kameras und Sprengstoffsensoren ausgestatteten Maschinen erinnerte die auflagenstärkste Tageszeitung des Königreichs an Miniaturausgaben von »Rommels Panzern«. Nichts könne englische Schlachtenbummler mehr auf die Palme bringen, zitierte »Sun« einen Fan, »damit haben die Deutschen ein mächtiges Eigentor geschossen.«
Dies alles wirkt auf Beobachter in London noch als Vorspiel einer Kampagne, die ihre größten Hitzegerade erst bei der WM erreichen wird. Wie bei der EM 1996, als sie den »Ausbruch des chauvinistischen, besonders anti-deutschen Unsinns« scharf verurteilten, setzen die seriösen Zeitungen alles daran, dass sich die englischen Fans anständig benehmen.
Der liberale »Guardian« und der angesehene »Independent« lobten auf Sonderseiten die Organisation und den Service für die anreisenden Fans von der Insel. Der Londoner Spitzenclub FC Arsenal rief, im Zusammenwirken mit dem Goethe-Institut, ein Programm für Jugendliche ins Leben, bei dem diese neben Fußball auch Deutsch lernen können. Zudem bietet das Institut in London auch Deutschkurse für Fans an. Regelmäßige WM-Partys sollen den Engländern mehr Einblick in die Sitten und Gebräuche der WM-Gastgeber vermitteln.

Artikel vom 29.03.2006