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Routine war
nicht sein Ding

Regisseur Tom Toelle ist gestorben

Von Carsten Rave
Hamburg/München (dpa). Im Jahr 1970 schrieb Tom Toelle Fernsehgeschichte: Der Regisseur inszenierte »Das Millionenspiel« nach einem Buch von Wolfgang Menge und löste mit der Produktion eine heftige öffentliche Diskussion aus. Am vergangenen Samstag starb der gebürtige Berliner 74-jährig in München, wie seine Agentur erst gestern mitteilte.

Toelle profilierte sich mit der Zukunftsvision über die Moral der Medienwelt zu einem der namhaftesten deutschen Fernsehregisseure. Über die Umstände seines Todes wurden keine Angaben gemacht. »Das Millionenspiel«, an dem Toelle auch als Co-Autor beteiligt war, nahm in der Zeit vor dem Aufbruch der Privatsender die Entwicklung des von Werbeeinnahmen gesteuerten Mediums Fernsehen voraus. Im »Millionenspiel« treten Freiwillige an, die jeweils sieben Tage lang auf der Flucht sind, um an den Hauptpreis von einer Million Mark zu gelangen. Bernhard Lotz, gespielt von Jörg Pleva, ist einer von ihnen, der sich freiwillig von Auftragskillern jagen lässt, um in den Besitz des Geldes zu gelangen.
In der Folge inszenierte Toelle, der mit der Schauspielerin Ulli Philipp verheiratet war, einige bedeutende Fernsehspiele wie zum Beispiel den Dreiteiler »Deutschlandlied« mit Matthias Habich, den »König der letzten Tage«, »Der Bierkönig«, »La Paloma fliegt nicht mehr«, »Der Schrei der Eule«, »Wo geht's lang, Kutti?«, »Lonny, der Aufsteiger«, »Via Mala« mit Mario Adorf und »Der Trinker« mit Harald Juhnke in einer Paraderolle nach dem gleichnamigen Roman von Hans Fallada.
Sein letzter im Fernsehen ausgestrahlter Film war im September 2002 »Wenn die Liebe verloren geht« - darin ging es um eine reifere Frau, eine Fotografin, gespielt von Ulli Philipp, die sich in einen jüngeren Mann verliebt und dabei Beruf und Familie aufs Spiel setzt. Toelle unterrichtete nach Agentur-Angaben zuletzt noch im Februar an der Filmakademie in Ludwigsburg. Aktuell hatte Toelle laut seiner Agentur zwar einige Projekte in Vorbereitung, befand sich aber nicht in der Produktion.
Daneben hat Toelle auch an vielen Bühnen gearbeitet. Unter anderem in Hamburg, Berlin, Zürich, Hannover und Bonn sowie Essen, »um nicht in Routine zu erstarren.« Das Schreiben habe er sich fürs Älterwerden aufgehoben, sagte Tom Toelle einmal. An der Serienflut im Fernsehen ließ er absolut kein gutes Haar. »Was da abläuft, ist grauenhaft und langweilig. Es ist wie in einer schlechten Ehe, wo der Partner nur noch das Echo des anderen ist.«
Toelle wollte schon immer zum Film und arbeitete bereits während seines Studiums mit allem, was sich in dieser Richtung anbot: »Für mich ist es zweitrangig, ob Film oder Fernsehen. Es sind die Stoffe, die mich interessieren, und beim Fernsehen hatte ich bisher die größte künstlerische Freiheit.«

Artikel vom 29.03.2006