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»Wetten produzieren Sucht«

DHS begrüßt Gerichtsurteil - 42 Büros allein in Bielefeld

Von Dietmar Kemper
Bielefeld (WB). Die Spielsucht junger Leute beginne immer häufiger mit Sportwetten: Das hat gestern der Geschäftsführer der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS), Rolf Hüllinghorst aus Bielefeld, beklagt. »Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes freut mich daher sehr«, sagte er dieser Zeitung.
Suchtexperte Rolf Hüllinghorst aus Bielefeld.

Die Richter in Karlsruhe halten das staatliche Monopol auf Oddset-Sportwetten nur dann für verfassungsgemäß, wenn die Werbung dafür so nüchtern ausfällt, dass Spielsucht nicht gefördert wird. Das Risiko einer Abhängigkeit müsse stärker herausgestellt werden, urteilte das BVG. Bislang werde Oddset als harmlose Freizeitbeschäftigung angepriesen.
»Die Zahl derer, die wetten und abhängig werden, steigt«, sagte Suchtexperte Hüllinghorst. Die sprunghafte Zunahme privater Betreiber sieht er mit Sorge: »Je mehr Sportwetten auf den Markt kommen, desto größer ist die Gefahr, dass die Gruppe der Süchtigen weiter zunimmt.« 150 000 Menschen in Deutschland seien behandlungsbedürftige pathologische Glücksspieler. Hüllinghorst fordert die Betreiber von Sportwetten auf, Jugendliche fernzuhalten: »Kein Oddset unter 18!«
Private Sportwettenbetreiber seien in den letzten Jahren »wie Pilze aus dem Boden geschossen«, sagte der Vorsitzende Richter am Verwaltungsgericht Minden, Rolf-Lutz Weidemann. Beim Gericht seien bislang 50 Widersprüche gegen die Unterlassungsverfügungen durch die Ordnungsämter eingegangen. Mit der Begründung, es handele sich um verbotenes Glücksspiel nach Paragraph 184 Strafgesetzbuch, hatten zahlreiche Verwaltungen den Betrieb untersagt, aber auf die Vollziehung des Verbots bis zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts verzichtet. Seit gestern müssen die Ordnungsämter neu überlegen, wie sie verfahren wollen.
Allein in Bielefeld gibt es 42 Büros, in denen Fußballergebnisse getippt werden können. Die Wettleidenschaft wird aber auch in Städten wie Herford (7) und Paderborn (10 Büros) geschürt. Bei Oddset werden 58 Prozent der Einsätze als Gewinn ausgeschüttet. Der Automatenhersteller Gauselmann (Espelkamp) denkt über den Einstieg ins Sportwetten-Geschäft nach. »Wir werden jetzt über das BVG-Urteil reden und daraus unsere Schlüsse ziehen«, sagte Sprecher Robert Hess.

Artikel vom 29.03.2006