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Lena führt den Treck bis nach Bayern

Die ARD dreht in Litauen zweiteiliges Filmepos mit Maria Furtwängler über Vertreibung

Von Jakob Lemke
Vilnius (dpa). Mitten durch den litauischen Winter lässt die ARD derzeit die ostpreußischen Flüchtlingtrecks von 1945 ziehen - nach den Erfolgen wie »Dresden« oder »Die Luftbrücke« wagt man sich jetzt an »Flucht und Vertreibung«, ein anderes schwieriges Kapitel der deutschen Geschichte.

Stars wie Maria Furtwängler in der Hauptrolle, Regisseur Kai Wessel und Gabriela Sperl für das Drehbuch versprechen ein zweiteiliges Programm-Highlight, sagen die Verantwortlichen. Knapp zehn Millionen Euro darf die Gemeinschaftsproduktion kosten, ein erheblicher Teil davon wurde investiert für Dreharbeiten in Litauen. Schnee und Eis soweit das Auge reicht, quer durch dieses platte Land zogen hunderte von Pferdewagen und zerlumpten Gestalten, meist Frauen und Kinder. Das Ende des Zweiten Weltkriegs brachte den meisten Ostpreußen den Verlust der Heimat.
»Lange Zeit gab es wohl das Gefühl, das Leid der Deutschen nicht zeigen zu dürfen«, sagt Maria Furtwängler. Die 39-Jährige spielt die junge Adelige Lena Gräfin von Mahlenberg. Sie führt den Flüchtlingszug vom Gut Mahlenberg bei Vilnius bis nach Bayern. Zwei Liebesgeschichten machen den Kriegswinter 1944/45 im Film menschlicher.
Historiker beziffern die Zahl der durch die Hitler-Diktatur entwurzelten Deutschen auf zwölf Millionen. Die ersten jetzt gezeigten Ausschnitte wirkten authentisch. »Wir haben tage- und nächtelang bei minus 20 Grad gefilmt«, berichtet Furtwängler. Zwei Fernsehabende sollen mit Liebe zum Ausstattungsdetail und starken Schauspielern düster glänzen.
Autorin Sperl erzählt die Leiden der Opfer, »das Thema Flucht hat viele Facetten.« Fast drei Jahre steckte die promovierte Historikerin in die Vorbereitung und zeichnet auch als Co-Produzentin verantwortlich. »Weil man mit Deutschland die Grenzen von 1937 verband, waren Flucht und Vertreibung so lange tabu.«
Historiker Professor Manfred Messerschmidt, der das Projekt wissenschaftlich betreut, fragt sich: »Können Einzelschicksale die Geschichte verdeutlichen?« Die Geschichtsvermittlungung via Fernseher bleibt für ihn fragwürdig. »Auch traurige Unterhaltung ist Unterhaltung«, sagen die Verantwortlichen und spekulieren schon auf den internationalen Verkauf des teuren Streifens. Von April bis Juni soll der Zweiteiler in Deutschland fertig gedreht werden. Die Premiere ist für 2007 bei Arte angesetzt.

Artikel vom 28.03.2006