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Guido Westerwelle warf der Koalition Wortbruch vor.

Merkel treibt Reformen voran

Generaldebatte im Bundestag - Streit um Kündigungsschutz beigelegt

Berlin (dpa). Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat vier Monate nach dem Start von Schwarz-Rot die entschlossene Umsetzung der vereinbarten Reformen angekündigt und die Koalitionspartner auf Linie gebracht.
»Was wir bis jetzt gemacht haben, reicht nicht, reicht mir nicht, reicht der Koalition nicht und reicht vor allem nicht Deutschland«, sagte Merkel gestern in der ersten Generaldebatte über die Politik der großen Koalition. Vor allem die hohe Arbeitslosigkeit von knapp unter fünf Millionen Menschen lasse sie nicht ruhen. Die Kanzlerin skizzierte in dem traditionellen Schlagabtausch zwischen Regierung und Opposition nach Vorlage des ersten Haushalts der großen Koalition zentrale Reformfelder.
Mit einem »Machtwort« versuchte sie, einen Koalitionsstreit über weitere Lockerungen beim Kündigungsschutz zu beenden. Die Opposition kritisierte die bisherigen 130 Regierungstage und forderte einen radikalen Kurswechsel vor allem auf dem Arbeitsmarkt.
Der Koalitionskrach über eine weitere Lockerung des Kündigungsschutzes ist laut Merkel zunächst vom Tisch. Nach ihrer Klarstellung sieht Vizekanzler Franz Müntefering (SPD) den »politischen Konsens« erreicht. Müntefering hatte wegen des Streits und weiter gehender Forderungen aus der Union eine Neuregelung zunächst auf Eis gelegt. Im Bundestag hatte Merkel zuvor auch in Richtung Union erklärt: »Es gehört schon zur Frage der Verlässlichkeit, dass wir das, was wir da miteinander vereinbart haben als Grundlage nehmen.«
Zu den von Merkel skizzierten Reformfeldern zählt neben der Gesundheitsreform auch die Föderalismusreform, die mit aller Kraft umgesetzt werden müsse. In der Energiepolitik will die Koalition trotz Differenzen beim Atomausstieg bleiben. Als weitere Reformfelder nannte Merkel Forschung und Entwicklung, Unternehmensbesteuerung sowie die Familienpolitik. Hinter dem von Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) vorgelegten Haushalt 2006 stehe der Anspruch, zu sanieren, zu investieren und zu reformieren, sagte die Kanzlerin. Der Etat sei die Folge einer Sanierung, die Wachstum dennoch möglich mache.
CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer bezeichnete den Haushalt als »Kursbuch«, mit dem die politische Wende eingeleitet werde. FDP-Fraktionschef Wolfgang Gerhardt verlangte von der Union während der knapp vierstündigen, zumeist sachlichen Debatte eine »Abkehr von sozialdemokratischen Konzepten«. Ein Personalwechsel reiche nicht, ein Politikwechsel sei notwendig.
FDP-Chef Guido Westerwelle warf Union und SPD wegen der geplanten Mehrwertsteuererhöhung von 16 auf 19 Prozent erneut Wortbruch vor. Oskar Lafontaine, Fraktionsvorsitzender der Linkspartei, beschuldigte die Regierung, mit der Erhöhung der Mehrwertsteuer dem Normalbürger in die Tasche zu greifen und die großen Vermögen zu schonen.
Hart ging auch Grünen-Fraktionschef Fritz Kuhn mit der Regierung ins Gericht. Die Kanzlerin habe gravierende Fehler in der Arbeitsmarktpolitik gemacht. Die Bundesregierung habe kein Rezept, wie Jobs im Niedriglohnbereich geschaffen werden sollen.
Im außenpolitischen Teil der Debatte warb Merkel um Zustimmung für ein Engagement Deutschlands beim geplanten EU-Einsatz in Kongo. Die entscheidende Frage sei, ob in diesem afrikanischen Land Wahlen gelängen und ob sich die EU-Sicherheits- und Verteidigungspolitik für einen begrenzten Zeitraum engagieren solle, sagte Merkel.

Artikel vom 30.03.2006