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Die israelische Zeitung
Jediot Achronot

»Das Volk will
nicht an den besetzten Gebieten festhalten.«

Leitartikel
Wahlen in Israel

Olmerts glanzloser Wahlsieg


Von Friedhelm Peiter
Ehud Olmert und seine Kadima-Partei haben die Wahlen in Israel gewonnen. Allerdings weit weniger glanzvoll als die Wahlforscher noch vor wenigen Tagen angenommen haben. Mit der sozialdemokratischen Arbeitspartei und mehreren kleineren Partnern in einer Koalition wird Olmert sich jetzt aufmachen, eine Lösung im Dauerkonflikt mit den Palästinensern zu finden.
Und die Situation ist kompliziert genug. Die Palästinenser haben die radikal-islamische Hamas an die Macht gebracht, die Israel nicht anerkennt. Viele Israelis haben auf Olmert gesetzt, der fest entschlossen ist, die Grenzen des Staates Israel bis 2010 endgültig festzulegen, notfalls auch ohne Beteiligung der Palästinenser.
So stehen sich zwei Lager gegenüber, die bisher so getan haben, als sei eine Verständigung mit der anderen Seite absolut unmöglich.
Olmert und der Chef der Arbeitspartei, Amir Perez, haben für ihren Plan, Israel von den Palästinensern räumlich endgültig zu trennen, von den Wählern einen Auftrag erhalten. Beide leitet die Einsicht, dass Israel nicht auf Dauer über 3,5 Millionen Palästinenser herrschen kann. Olmerts Vorgänger Ariel Scharon hatte mit dem Rückzug aus dem Gazastreifen den Anfang gemacht und damit der palästinensischen Autonomiebehörde die Verantwortung für 1,3 Millionen Palästinenser übertragen.
Und dieses Wahlergebnis leitet sich aus der Grundstimmung vieler Israelis ab, die nach mehr als fünf Jahren Intifada mit mehr als 4000 Toten und dem schon seit zwölf Jahren ohne Erfolge dahinschleichenden Friedensprozess sich endlich ein sicheres Leben in einem ganz normalen Staat wünschen.
Nach den Wahlen in Palästina und in Israel sollte auf beiden Seiten jetzt eine Phase des Nachdenkens einsetzen. Dabei müsste sich bei der Hamas-Regierung die Einsicht durchsetzen, dass ohne Gespräche mit den Israelis der Traum vom eigenen Staat nicht zu verwirklichen ist.
Olmert wird Abschied nehmen müssen von seinem im Wahlkampf propagierten Vorhaben, im Westjordanland eine Vielzahl kleinerer Siedlungen aufzugeben, größere Siedlungsblöcke in der Nähe Jerusalems weiter auszubauen, den Schutzzaun zu vollenden und den »Flickenteppich« des restlichen Palästinensergebietes der Hamas-Regierung zu überlassen. Frieden und Sicherheit würden die Israelis so keinen Schritt näher kommen.
Auch wird das relativ schwache Abschneiden der Kadima-Partei die Regierungsbildung schwieriger machen als erwartet. Olmert wird damit rechnen müssen, dass er möglichen kleineren Koalitionspartnern Zugeständnisse machen muss. Die Rentnerpartei etwa wird als Preis einer Unterstützung mehr Ausgaben im Sozialbereich verlangen. Ehud Olmert hat vor der Wahl erklärt, dass er sich in seinem Willen, die Grenzziehung durchzsetzen, von keinem Koalitionspartner erpressen lassen will. Nun muss er es beweisen.

Artikel vom 30.03.2006