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Elegant zum
Wiederaufbau
Schloss Bevern zeigt Ausstellung zur Mode der 50er Jahre
Die 50er-Jahre sind wieder in: Voll Wehmut blicken viele zurück auf die Zeit, als es aufwärts ging in Deutschland, als es das Wirtschaftswunder und auch das sportliche »Wunder von Bern« gab. Mit aller Kraft und Zuversicht machten sich die Deutschen an den Wiederaufbau.
Das Kulturzentrum Weserrenaissanceschloss Bevern bei Holzminden hat die Gunst der Stunde erkannt und liegt mit seiner Ausstellung »Mode der 50er Jahre für Jedefrau und Jedermann« voll im Trend.
Im stolzen »Wir sind wieder wer« drückte sich das Bewusstsein der Zeit des wirtschaftlichen Aufschwungs in der Folge der Währungsreform, des Ärmel-Aufkrempelns und auch der amerikanischen Marshallplan-Hilfen aus. In der deutschen Nachkriegsmode schlug sich der Geist der Zeit in betonter Weiblichkeit nieder. Frauen, die in den Kriegsjahren und jenen unmittelbar danach »als Trümmerfrauen ihren Mann hatten stehen müssen« und sich in ihrer Kleidung nur am Diktat des Praktischen und der Not orientieren konnten, demonstrierten jetzt mit femininem Chic ihre wiedergewonnene Chance, elegant und »ladylike« aufzutreten.
»1947 hatte Christian Dior in Paris den ÝNew LookÜ vorgestellt. ÝIch habe die Kunst, zu gefallen, zurückerobertÜ, sagte er damals«, zitiert die freiberufliche Ausstellungsmanagerin Dörte Becker den legendären Modemacher und nennt damit den modegeschichtlichen Hintergrund, vor dem sie die Schau für Schloss Bevern konzipiert hat. Wespentaille, schmale Schultern, wadenlange enge oder weite Röcke, hohe Absätze und Nahtstrümpfe: Auch die Frauen in der jungen Bundesrepublik suchten Anschluss an die westliche Mode - auch wenn Anfang der 50er Jahre noch Selbernähen oder Schneidernlassen die vorherrschende Form war, sich einzukleiden. Bis 1950 gab es schließlich Stoffe und Kleider nur auf Bezugsschein. Und die Not-Devise »Neu aus Alt« behielt noch viele Jahre ihre Gültigkeit.
Die Schau zeigt gut erhaltene Ergebnisse dieses Bemühens, trotz beschränkter Mittel auf eine gewisse Eleganz nicht zu verzichten. Sie zeigt auch eine Auswahl der Schnittmusterbögen und Modezeitschriften wie Aenne Burdas »Burda Moden«, die dabei wichtige Hilfestellung leisteten. Das Selbermachen und Wiederverwerten ging dabei sehr weit: Sogar Kleider aus in Hameln handgewebten Stoffen und ein Hochzeitskleid aus Fallschirmseide sind zu bestaunen.
»Das Modediktat«, sagt Dörte Becker, »reichte auch bis unter die Kleider. Das Korsett oder Mieder, unerlässlich für die Wespentaille des New Look, erlebte in den 50er Jahren eine letzte Renaissance. Ähnlich war es mit dem Petticoat, der an die Krinolinen des späten 19. Jahrhunderts erinnerte.«
Erst von der Mitte der 50er an begann sich mit wachsendem Wohlstand auch bei Alltagskleidern Konfektionsware - Versandhäuser boten Ratenzahlung an - massenhaft durchzusetzen. Es war billiger und bequemer geworden, ein Stück von der Stange zu kaufen, als sich selbst an die Maschine zu setzen oder eine Schneiderin zu beauftragen. Kurzlebiges, die »am letzten Schrei« orientierte Mode, wurde jetzt langsam die Regel.
Zu einem großen Teil wurde die Ausstellung in Schloss Bevern aus Beständen des Kreismuseums Peine bestritten. Auch dort hatte Dörte Becker eine Präsentation zu dieser Thematik aufgebaut. Aus Gesprächen mit Zeitzeugen hat sie rekonstruieren können, wie streng jedoch bei aller oberflächlich gezeigten Modernität die Kleidungs-Vorschriften in den 50er Jahren gehandhabt wurden. »Die Frage war nicht einfach ÝWas habe ich anzuziehen?Ü«, sondern, »Welches Kleid darf ich zu welcher Gelegenheit anziehen?«, berichtet Becker. Der Zwang, stets dem Anlass entsprechend und korrekt gekleidet zu sein, war ungleich größer als heute.
Das betraf auch die passenden Accessoires wie Hut, Schal oder Tuch, Handschuhe, Tasche und Schirm, ohne die Mann wie Frau nicht das Haus verließen. Regelrecht surreal wirken manche Hüte in den Vitrinen. Schlicht dagegen eine schwarzblaue »Evitakappe« aus der Mitte der 50er: Evita Peron, die frühverstorbene Präsidentengattin, die in Argentinien wie eine Heilige verehrt wurde, fand auch in der Bundesrepublik modisch Resonanz.
»Die Jugendlichen - Backfische, Teenager, ÝHalbstarkeÜ, wie ein Film dieser Jahre hieß - tanzten Rock'n'Roll oder hörten Jazz. Sie entwickelten ihre eigene Mode für die Freizeit mit Lederjacken, Nietenhosen, Rollkragenpullover und karierten Hemden«, erinnert Dörte Becker an Ausnahmen, die doch letzlich die Regel bekräftigten: »Das war nur Freizeitkleidung. Im Alltags- und Berufsleben zogen sie sich so konventionell an wie die Erwachsenen.«
Die strengen Kleidungs-Etiketten liefern gewissermaßen auch das Gliederungsprinzip der Ausstellung. Die Stücke sind in elf Themeninseln gruppiert, die der strikten Trennung - etwa zwischen Alltags-, Berufs-, Sonntags-, Gesellschafts- und Freizeitkleidung - folgen. Ein Höhepunkt der Schau ist ein langes Gesellschaftskleid des seinerzeit sehr populären deutschen Modedesigners Heinz Ostergaard aus dem Jahr 1959 mit Flock-Print-Mustern in Altrosa.
Inszenierungen liefern den passenden Hintergrund: Eine Küche, in der die adrett mit bestickter Schürze oder buntbedrucktem Kittel gekleidete Hausfrau wirkt, ein Kofferradio »Nordmende Clipper« auf dem Kückenschrank, daneben ein Wohnzimmer mit obligatorischem Nierentisch, Cocktailsesseln, einem Musikschrank (»Ilse Tonmöbel«), einem Fernseher »SABA Schauinsland« und verwegen gebogenen Lampen mit nach oben offenen grellbunten Tütenschirmen. Im Freizeitbereich steht neben Hula-Hoop-Reifen eine Musikbox der Marke »rock-ola«. Recht züchtige Badeanzüge und auch Trachtenkostüme lassen erkennen, dass die Reisewelle in der Mitte der 50er Jahre anrollte und die Berge oder lieber noch die italienische Riviera zum Ziel wurden.
Der Besuch dieser originellen Ausstellung, die noch bis zum 14. Mai zu sehen ist, weckt, je nach Alter und Mentalität des Betrachters, nostalgische Gefühle oder erscheint als eine Zeitreise in die fremd und kurios wirkenden Anfänge unserer Republik mit »archäologischen Funden« aus Omas Kleiderschrank.
Das Begleitprogramm bietet vielfach Gelegenheit, sich in die Zeit einzufühlen: So wird am 20. April (19.30 Uhr) der wegen einer als skandalös empfundenen Nacktszene verbotene Hildegard-Knef-Film »Die Sünderin« gezeigt.
Im Schlossrestaurant wird am 9. April ein Tanztee im Stil der 50er Jahre zelebriert. Dort werden auch »Wirtschaftswunder-Menues« serviert...
Wolfgang Braun


Weitere Informationen im Internet: www.schloss-bevern.de

Artikel vom 01.04.2006