25.03.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Tagelang demonstrierten Oppositonsanhänger.

Minsk: Opposition ruft zu neuen Protesten auf

Sicherheitskräfte nehmen 300 Demonstranten fest - EU verschärft Kurs gegen Weißrussland

Minsk/Brüssel (dpa). Nach der gewaltsamen Räumung des Protestlagers in Minsk hat die weißrussische Opposition zu einer neuen Großkundgebung gegen Staatschef Alexander Lukaschenko an diesem Samstag aufgerufen.

»Die Staatsmacht hält den Herausforderungen der Demokratie nicht stand. Das ist der Anfang von ihrem Ende«, sagte der bei der Präsidentenwahl vor einer Woche unterlegene Herausforderer Alexander Milinkewitsch am Freitag in Minsk. Ungeachtet neuer Drohungen des Staatsapparates forderte Milinkewitsch alle Unzufriedenen im Land auf, sich an der Kundgebung am Samstagmittag im Zentrum der Hauptstadt zu beteiligen.
Mehere hundert maskierte Polizisten waren am frühen Freitagmorgen mit Schlagstöcken auf den Oktoberplatz gestürmt und hatten die seit vier Nächten in ihren Zelten ausharrenden Regimegegner festgenommen. Die Lukaschenko-Kritiker wurden in ein Untersuchungsgefängnis gebracht. »Wir haben sie alle verhaftet. Die Revolution ist vorbei«, sagte der Polizeichef von Minsk, Juri Podobed. Über die Zahl der Inhaftierten herrschten abweichende Angaben. Während die Stadtverwaltung deren Zahl mit 100 angab, sprachen Menschenrechtsgruppen von 300 »verschwundenen« Oppositionellen. Die staatlichen Hochschulen kündigten an, alle Protestierer zu bestrafen.
Vor dem zentralen Untersuchungsgefängnis im Südwesten von Minsk warteten besorgte Eltern und Angehörige im Tagesverlauf auf eine Nachricht von den Inhaftierten. Auch Oppositionsführer Milinkewitsch forderte von der Polizei Auskunft über den Verbleib seines Sohnes Igor. Zahlreiche Oppositionsanhänger wurden am Freitag dem Haftrichter vorgeführt. Zu den Festgenommenen gehörte auch der ehemalige polnische Botschafter in Weißrussland. Mariusz Maszkiewicz habe die Nacht bei den Demonstranten verbracht.
Als Reaktion auf die immer deutlichere Unterdrückung der Opposition in Weißrussland schlugen die EU-Staats- und Regierungschefs einen härteren Kurs gegenüber der Regierung in Minsk ein. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier sagte nach dem EU-Gipfel in Brüssel, dass die EU-Erklärung wegen der Ereignisse in der Nacht zum Freitag verschärft worden sei. Sie enthalte nun auch einen »Hinweis« auf Sanktionen. Die Verantwortlichen müssen mit Reisebeschränkungen rechnen.
Russlands Außenminister Sergej Lawrow äußerte hingegen Verständnis für das Vorgehen der weißrussischen Behörden.

Artikel vom 25.03.2006