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Das Wort zum Sonntag

Von Pfarrer Dr.Dr. Markus Jacobs


Sind Sie offen für einen christlichen Gedanken, der nicht nur Freude macht? Es geht nicht um Spaßverderberei. Aber es gibt Wahrheiten des christlichen Glaubens, die nie in ein Wellnessprogramm passen werden. Beim Vermeiden solcher Wahrheiten verlöre jedoch jedes christliche Leben seine Ernsthaftigkeit.
Wir stehen in der Vorbereitung auf Ostern. Zu Ostern begeht die Christenheit das Geheimnis von Tod und Auferstehung Jesu - den Vorgriff auf unsere eigene grandiose Hoffnungsperspektive am Ende des Lebens und über den Tod hinaus.
In Jerusalem, dieser bis heute so emotional aufgeladenen Stadt, hat sich diese letzte Etappe des Lebens Jesu abgespielt. In Jerusalem war Jesus aber nicht gerade aus Versehen oder Zufall vorbeigekommen. Er hatte diesen Weg bewusst angetreten. Für einen Christen ist es sehr hilfreich, sich diese Entscheidung Jesu innerlich klar zu machen.
Jesus wusste sehr wohl, dass ihn in dieser Stadt Schwierigkeiten erwarten würden. Es heißt in einer der biblischen Lebensbeschreibungen, dass er eigens seine Begleiter bei passender Gelegenheit beiseite nahm, um ausdrücklich auszusprechen, dass er erwarte, in Jerusalem »vieles zu erleiden«; er werde sogar »getötet werden, aber nach drei Tagen werde er auferstehen.« (Mk 8,31) Und weil solche Klarheit schon damals offenbar überraschte, fügt der Text ausdrücklich an: »und er redete ganz offen darüber«.
Wie hätte ich reagiert, wie hätten Sie reagiert, wenn Ihnen ein Freund oder eine Freundin so etwas erzählt? Ehrlich?
Wir hätten Gegenvorschläge gemacht. Denn was ist leichter, als einen gefährlichen Ort, eine schmerzhafte Begegnung einfach zu umgehen. Wir müssen es ja gar nicht „kneifen“ nennen. Es wäre ja nur nach menschlichem Ermessen ein vernünftiges Vermeiden eines unnötigen Risikos: âWenn Jerusalem ein so heißes Pflaster ist, dann können wir ja irgendwo anders hingehen. . .Õ
Genau so menschlich war auch die Reaktion - gerade der verantwortungsbewusst Mitdenkenden. Wie so oft war es deshalb Petrus, der sich zum Sprecher macht. Er nimmt Jesus »beiseite und machte ihm Vorwürfe; er sagte: Das soll Gott verhüten, Herr! Das darf nicht mit dir geschehen.« (Mt)
Jesus aber weist dies scharf zurück und meint, er habe »nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen«!
Will Gott also das Leid? Will Gott Schmerzen? Sicher nicht! Aber er will offenbar auch nicht das Ausweichen. Er will nicht das Zurückweichen und das Aufgeben der innersten Mission Jesu in der Öffentlichkeit, nur weil es weh tun könnte. Denn letztlich gibt es um des ewigen Lebens willen gar keine Schmerzgrenze - und von diesem unendlich erfüllenden Leben trug Jesus zuletzt doch in Jerusalem frohe Kunde in die Welt.
Wir selbst leben nicht deshalb richtig oder christlich, wenn wir viel Leid ertragen. Aber es gibt sehr wohl Schmerzhaftes, das wir nur umgehen können, wenn wir unsere wichtigsten Ziel verrieten. Dieser Verrat fängt oft so klein an und weitet sich schleichend aus. Ist es das wert? Das ist die Frage auf dem Weg nach Jerusalem für einen jeden Christen bis heute.

Artikel vom 25.03.2006