24.03.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Die Freiheit der Treue

Bernd Kollmetz ist evangelischer Pastor der Johanniter Ordenshäuser in Bad Oeynhausen.

Die kürzlich verstorbene Schriftstellerin Hilde Domin schrieb den Gedanken nieder: »Der emanzipierte Mensch muss seinen erwählten Grundsätzen treuer sein als andere.« Welch ein Satz, gerade in unserer Zeit. Wahre Emanzipation, und somit wirkliche Freiheit zeigt sich erst in der Treue. In diesem Wechselspiel vollzieht sich Leben. Nur mit dieser Überzeugung ist der aufrechte Gang möglich, der den Blick nach vorne hin zu öffnen hilft. Letztlich geht es um die Bereitschaft, sich zu bekennen und einander im guten Sinne festzuhalten.

Leider tun wir uns aber schwer damit. Alles scheint im Fluss zu sein. Neue Antworten gilt es zu geben, ohne sich vorher verständigt zu haben, welche Fragen eigentlich gestellt sind. Und so wird durch das Modewort »Neu« alles in ein angeblich neues Licht gestellt. Könnte es sein, dass die Fragen des Lebens nach Gerechtigkeit und Gemeinschaft nicht neu beantwortet zu werden brauchen, sondern eher einer entschiedeneren Grundüberzeugung als Antwort bedürfen?

Der Glaube will den Menschen emanzipieren und somit Ausrichtung auf die wahre Freiheit geben. Daher spricht der Glaubende eine klare Sprache. Er bleibt nicht im Unverbindlichen stecken, sondern hat Mut zum Bekenntnis und zur Entscheidung, so wie es Jesus selbst angemahnt hat: »Eure Rede sei Ja, Ja oder Nein, Nein.«
Übrigens: Gelebte Freiheit besteht darin, dass die Entscheidung gesucht wird, auch wenn sie gegen einen fallen kann. Die Freiheit zur Treue kann einem nicht genommen werden, es sei denn, ich nehme sie mir selbst.
Bernd Kollmetz

Artikel vom 24.03.2006