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Wo hippe Studienräte
die Michaelas treffen

Sven Regener mit »Element of Crime« live in Bielefeld

Von Thomas Albertsen
Bielefeld (WB). Die Nacht, die ganz frei von Wolken, aber dafür erfüllt von Eiseskälte war, hatte mehr als 2000 Menschen in den gemütlich warmen Bielefelder Ringlokschuppen getrieben. Denn es hatte sich herumgesprochen, dass Herr Regener dort auftreten würde.

Das wird ein guter Abend, dachte Herr Regener, als er die Bühne betrat. In jüngster Zeit stand er immer unter Strom und war immer unterwegs. Der Mensch ist ein Wesen mit freiem Willen, dachte Herr Regener und freute sich ganz besonders, denn der Auftritt mit seiner Band »Element of Crime« war beinahe ausverkauft.
Wenn es so etwas wie hippe Studienräte gibt, dann waren alle Exemplare aus dem Ostwestfälischen an diesem Abend dort versammelt, aber auch die eine oder andere Landpomeranze aus Deppendorf, hoffnungsvolle Altromantiker mit Wunderkerzen und neugierige Jungintellektuelle mit poetischer Ader. Und natürlich viele Frauen wie Michaela, die glaubt, dass kein Mann sie richtig liebt, und die es doch tun, sind zu weich, und das gibt dann nicht viel her. Dazwischen der eine oder andere, der hoffte, er würde Herrn Regeners Romanfigur »Herr Lehmann« treffen.
Die sind immer da, dachte Herr Regener und fühlte sich ein wenig verfolgt, stellte dann jedoch unmissverständlich klar: »Finger weg von meiner Paranoia, die ist mir lieb und teuer!« So schlimm konnte es aber nicht gewesen sein, denn Herr Regener mag es im allgemeinen gerne, wenn jemand wiederholt in die Konzerte seiner Band geht, deshalb erinnerte er sich auch an den Abend im Jöllenbecker Jugendzentrum, in dem er vor vielen Jahren mal spielte. Damals hatten er und seine Freunde richtig Spaß an Punk und Funk. »Ja, damals«, sagte Herr Regener im Gespräch mit dem WESTFALEN-BLATT, »damals waren wir auch etliche Jahre jünger.«
Jetzt kam Herr Regener, den niemand einfach so »Sven« nennen mochte, im dunklen Anzug daher und spielte Balladen. Schwer hing der Rauch von Zigaretten über der Bühne. Früher, dachte einer im Publikum, früher brauchte man immer Trockeneis oder Ölnebel, um die Lichteffekte besser sichtbar zu machen, aber jetzt schwebten rote und blaue Lichtkegel scheinbar schwerelos über den Musikern.
Wenn Herr Regener viele Worte machen will, füllt er weißes Papier mit hochkomischen Sittenbildern der Achtziger-Jahre-Lumpen-Bohème, an diesem Abend in Bielefeld war jedoch die kurze prägnante Aussage gefragt. »Bring den Vorschlaghammer mit«, forderte Herr Regener und lieferte gleich eine Erklärung dafür: »Der ganze alte Schrott muss raus, und neuer Schrott muss rein.« Doch dafür, dass er alten Resten eine neue Chance gab, trug sein Publikum Herrn Regener auf Händen.

Artikel vom 24.03.2006