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Brandrede des Bundestrainers:
Klinsmann spricht sich aus

4:1 nach 1:4 - ein klarer Sieg verschafft den Deutschen wieder Luft

Von Friedrich-Wilhelm Kröger
Dortmund (WB). Vor dem Länderspiel gegen die USA war viel vom »Befreiungsschlag« die Rede. Wer sich befreien muss, wurde vorher in die Enge getrieben. Das hatte die deutsche Nationalmannschaft mit dem 1:4 in Italien selbst besorgt. Beim 4:1 gegen die Amerikaner entdeckte die DFB-Auswahl wenigstens am Ende einen Weg, um sich Luft zu verschaffen.
Trainer Jürgen Klinsmann schreit die Freude heraus.
1:4 und 4:1. Die Umkehrung des Ergebnisses bedeutet aber noch lange nicht die Wende zum Guten. Denn bis weit in die zweite Halbzeit hinein lief nicht viel zusammen. Und der anfängliche Versuch, einfach so zu tun als sei zuvor gar nichts passiert, verpuffte schnell. Nach nur wenigen Minuten ließ das »Florenz-Fiasko« noch einmal die besten Grüße ausrichten: »Der Druck hat uns schon berührt. Das hat die Mannschaft auch im Spiel gespürt«, sagte der Dortmunder Verteidiger Christoph Metzelder. »Darum ist die Erleichterung jetzt auch groß.«
Die Wirkung des Sieges entfaltete sich vor allem beim Bundestrainer. Jürgen Klinsmann nutzte die Teil-Wiedergutmachung zur Generalabrechnung mit einem Teil der Medien. Die Stimme hob er dabei kaum, in welcher Stimmung Klinsmann war, offenbarte sich trotzdem. »Was sich da abgespielt hat, war unter der Respektsgrenze«, attackierte er vor allem jene, die die Mannschaft und besonders ihn selbst zuletzt immer schlechter ins »Bild« gesetzt hatten.
Auf dem Boulevard der Ballberichterstattung ist Klinsmann gerade in den vergangenen Wochen vieles widerfahren, das ihm nicht passte. »Wir wissen jetzt, wo die Leute sitzen, die uns nicht wohl gesonnen sind. Da wird Politik gemacht, die aggressiv ist und Stimmung macht gegen uns.« Es schlug schon die letzte Stunde vor Mitternacht, als Klinsmann tiefschwarze Wolken über dem Fußball-Land aufziehen sah: »Man kann alles kaputt machen, bevor es los geht.« Durch »puren Pessismismus« werde das WM-Projekt riskiert.
Als der Bundestrainer fertig war mit seiner Brandrede, stand fest, dass er künftig in einer Reihe mit jenen Kollegen genannt werden dürfte, die sich ebenfalls aussprechen mussten. Beim DFB hatte es ihm Rudi Völler gleich getan, der nach dem 0:0 in der EM-Qualifikation in Reykjavik gegen Island gleich im TV-Studio lospolterte.
Nach solchen Auftritten wie jenem von Jürgen Klinsmann in Dortmund ist es wohl das Beste, sich einfach darauf zu konzentrieren, worum es überhaupt ging an diesem Abend - um das Länderspiel. Was davon zu halten war, zeigte die sensible Tribünen-Akustik. Erst Singen, dann Schweigen, schließlich Pfeifen, wieder Schweigen und am Ende Feiern. Ungefähr so lief auch die Partie, die in ihren schlimmsten Phasen ähnlich lau dahin plätscherte wie ein Gebirgsbach, ehe die Staaten-Spieler zum Schluss weggespült wurden wie nichts.
Das führte unweigerlich zur Einordnung des Gegners, die niemand besser vornehmen konnte als Trainer Bruce Arena. »Die Mannschaft, die hier auf dem Platz stand, war die USA. Aber ich glaube nicht, dass wir alle diese Spieler in unserem WM-Aufgebot wiedersehen werden.« Ohne Klinsmann aufs Neue zu erzürnen und den deutlichen Sieg seines Teams schmälern zu wollen: Es ist sicher nicht geflunkert, von einer US-B-Auswahl zu sprechen. Berücksichtigt werden musste auch, dass die Profis aus der Major Soccer League noch keine Saison haben und laut Arena nach »65, 70 Minuten mit ihren Kräften am Ende waren«. Außerdem ärgerte sich Arena über den komplett verschlafenen Einstieg in die zweite Hälfte, der den Amerikanern im Eilverfahren alles kaputt machte. Anstoß, Rückpass, Freistoß, Tor. Das 0:1 war eine Sache von Sekunden.
Die gute Raumaufteilung und defensive Ordnung der ersten Halbzeit fand Arenas Ansammlung von Stellvertretern nie wieder. Und so passierte zum Schluss, was sich die Welt kaum vorzustellen vermag. Die USA brach zusammen. Eine Viertelstunde genügte, um noch ein kleines Scharmützel auszurichten. So folgte drei Wochen nach einem bitteren 1:4 ein versöhnliches 4:1. Ganz vergessen ist die Niederlage nicht. Die Leistung betreffende Misstöne nach dieser Abfuhr nahm der Bundestrainer hin: »Die Kritik im sportlichen Bereich war absolut in Ordnung, Italien eine Lektion.«
Ein erster Lernerfolg stellte sich gegen die USA erst spät ein. Richtig beweiskräftig ist der Sieg nicht, die Beunruhigung nicht gerade wie weggewischt. Die bessere Erfahrung boten vermutlich sogar das ungleiche Fußball-Duell mit der Squadra Azzura und seine Folgen. »Das war so eine Art Vorgeschmack, was im Juni auf uns zukommt. Es ist vielleicht ein Vorteil, als junge Mannschaft vorher so einen Rückschlag hinnehmen zu müssen«, meinte Metzelder und verband damit eine Hoffnung: »Sowas bringt uns nur weiter.«

Artikel vom 24.03.2006