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Widerstand gegen den harten
Sparkurs der Landesregierung

20 000 Demonstranten werfen Ministerpräsident Rüttgers Wortbruch vor

Düsseldorf (dpa). Knapp ein Jahr nach dem Regierungswechsel in Nordrhein-Westfalen wächst der Protest gegen den Sparkurs der schwarz-gelben Landesregierung.

Etwa 20 000 Lehrer, Polizisten, Finanzbeamte und andere Beschäftigte des öffentlichen Dienstes haben gestern in Düsseldorf gegen Gehaltskürzungen, Stellenstreichungen und längere Arbeitszeiten demonstriert. Unter den Demonstranten waren auch viele aus Ostwestfalen - darunter etwa 150 Polizisten.
»Die Aufgaben der Polizei wachsen immer weiter, während das Personal immer weniger wird«, betonte der Personalratsvorsitzende und Erste Kriminalhauptkommissar Holm Sternbacher aus Bielefeld. Das Weihnachtsgeld sei bereits halbiert und das Urlaubsgeld gestrichen worden und mit weiteren finanziellen Einschnitten - wie dem Wegfall des Weihnachtsgeldes - sei zu rechnen. Sternbacher: »Das können wir so nicht hinnehmen.«
Auch Mitglieder der Autobahnpolizei Detmold äußerten ihren Unmut: »Finger weg von der Autobahnpolizei. Wir sind nicht euer Kanonenfutter« war auf Schildern zu lesen, die die Uniformierten um den Hals trugen.
Polizeioberkommissar Martin Huber (29) aus Herford sieht das Vertrauensverhältnis zwischen der Polizei und ihrem Dienstherren gefährdet: »Ich habe das Gefühl, dass die Polizei-Arbeit scheinbar nicht anerkannt oder gewürdigt wird.«
Die Landesregierung will mit dem Haushalt 2006, der zur Zeit vom Landtag beraten wird, 1,3 Milliarden Euro einsparen. Davon sind neben den Beamten auch viele Sozialprojekte betroffen. Sozialverbände, die gegen Kürzungen bei Kindergärten, Jugendheimen und Frauenhäusern protestieren, hatten sich deshalb den Gewerkschaften angeschlossen. Auch Studenten waren aus Protest gegen die bereits beschlossene Einführung von Studiengebühren unter den Demonstranten.
Der Landesvorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Guntram Schneider, warf der schwarz-gelben Landesregierung einen völlig verfehlten Kurs vor. Der Haushalt könne nicht durch Einsparungen saniert werden. Die Vermögenssteuer müsse wiedereingeführt und die Erbschaftssteuer erhöht werden.
»Die Beamten und ihre Familien sollen wieder einmal die Reservekasse des Staates spielen», sagte der NRW-Landesvorsitzende des Deutschen Beamtenbundes (dbb), Ralf Eisenhöfer. Die Landesregierung will das Weihnachtsgeld der Beamten ein weiteres Mal kürzen und ihnen bei der Besoldung eine Nullrunde verordnen. Im Wahlkampf hatte Rüttgers solche Sparmaßnahmen abgelehnt.
Der Ministerpräsident hatte wiederholt erklärt, seine Regierung sei wegen der von Rot-Grün hinterlassenen Schuldenlast zu drastischen Sparmaßnahmen gezwungen.
Die Gewerkschaft Verdi hat ihre Streiks im öffentlichen Dienst in elf Bundesländern fortgesetzt. Unter anderem in Baden-Württemberg, Thüringen, Bayern und Hamburg legten gestern in der siebten Streikwoche Beschäftigte ihre Arbeit nieder. Sie wehren sich gegen geplante Arbeitszeitverlängerungen und Einschnitte beim Weihnachts- und Urlaubsgeld.
Der Verhandlungsführer der Länder, Hartmut Möllring (CDU), hat für seine harte Haltung im Tarifkonflikt des öffentlichen Dienstes die Rückendeckung der Länder-Finanzminister erhalten. In der Konferenz aller Ressortchefs in Berlin sei auch von den SPD-Ministern keine deutliche Kritik laut geworden, hieß es.
Dagegen wollen die Tarifparteien im Saarland nach einer eigenen Lösung für das Land suchen.
Verdi und Saar-Ministerpräsident Peter Müller (CDU) wollen Gespräche außerhalb der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) führen. Er stehe »Tag und Nacht« zur Verfügung, um mit einem entsprechenden Verhandlungsergebnis die Situation zu entschärfen, sagte Verdi-Landesleiter Rolf Linsler.

Artikel vom 24.03.2006