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Den Übergriff im Tagebuch notiert

Fall ohne Opfer: Unterbringung

Von Uwe Koch
Bielefeld (WB). Einer der ungewöhnlichsten Strafprozesse am Landgericht Bielefeld ist mit einer Verurteilung beendet worden: Der Bielefelder Markus J., der einen sexuellen Mißbrauch in seinem Tagebuch notierte, erhielt acht Monate Haft. Außerdem wurde der 26-jährige Mann in der Psychiatrie untergebracht.

Für die spektakuläre Tat gibt kein Opfer, nur eine Niederschrift des Täters existiert: Markus J. hatte 2005 im Spaßbad »Ishara« ein Mädchen sexuell mißbraucht. So lautet der Eintrag in seinem Tagebuch, nach dem der 26-Jährige unter Anklage gestellt wurde.
Für die 9. Strafkammer des Landgerichts war der Tatnachweis eindeutig. Markus J. hatte zwar jegliche Stellungnahme zu den Vorwürfen der Anklage von Staatsanwältin Stefanie Dakers verweigert. Ihrer Ansicht hatte der gebürtige Hannoveraner »an einem unbestimmten Tag im Frühjahr 2005« einem kleinen Mädchen im »Ishara« zwischen die Beine gegriffen.
Am Wohnort des 26-Jährigen im Otto-Riethmüller-Haus führte eine zufällige Kontrolle seines Zimmers - Markus J. stand im Verdacht des Diebstahls sowie des Drogen- und Alkoholmißbrauchs - zum Fund des verräterischen Tagebuchs. Ein Eintrag dokumentierte die Tat im Spaßbad, die Markus J. auch später in einem Verhör vor der Kriminalpolizei gestand.
Die Verwertung des Tagebuchs hatte Verteidiger Carsten Ernst vergeblich verhindern wollen. Immerhin enthält das Journal noch erschreckendere Details der Sex-Phantasien des einschlägig vorbestraften Mannes: Während der Verbüßung einer Haftstrafe in der Justizvollzugsanstalt Hameln hatte Markus J. sich Notizen über den möglichen Mißbrauch von hunderten junger Mädchen gemacht. Namen und Adressen seiner potentiellen Opfer hatte er seinerzeit aus Anzeigen in Tageszeitungen übernommen.
Eine Sachverständige des Westfälischen Zentrums für Forensische Psychiatrie in Lippstadt-Eickelborn skizzierte detailliert den von perversen sexuellen Gelüsten geprägten Lebensweg des Angeklagten. Dem schloss sich die Strafkammer an. Es bestehe kein Zweifel, Markus J. habe in seinen Aufzeichnungen Wunsch und Wirklichkeit nicht durcheinander gebracht. Danach habe es sich im »Ishara« um einen konkreten Fall gehandelt. Markus J. sei gefährlich, da er sehr wohl Pläne weitere Missbrauchs-Taten habe.
Insbesondere gegen die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus will die Verteidigung nun mit dem Rechtsmittel der Revision angehen. Ernst hatte eine ambulante Therapie für angemessen erachtet. Die Richter wiesen diese Möglichkeit zurück, da Markus J. zwei Therapieangebote des Otto-Riethmüller-Haus ausgeschlagen hatte.

Artikel vom 23.03.2006