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Mehr politische Kriminalität

Verfassungsschutz: Zahl der Straftaten in NRW stieg 2005 um 16 Prozent

Düsseldorf/Bielefeld (dpa/WB/hz). In Nordrhein-Westfalen ist die Zahl der politisch motivierten Straftaten deutlich gestiegen. Der Verfassungsschutz registrierte vergangenes Jahr knapp 3500 Delikte, etwa 16 Prozent mehr als 2004. In Ostwestfalen-Lippe betrug der Zuwachs 14,5 Prozent.

Dabei nahm vor allem die Zahl so genannter Hakenkreuzschmierereien und anderer Propagandelikte zu, wie aus dem Verfassungsschutzbericht 2005 hervorgeht. Fast drei Viertel aller Fälle politisch motivierter Kriminalität entfielen auf den Rechtsextremismus.
Hakenkreuzschmierereien seien kein Kavaliersdelikt, warnte Innenminister Ingo Wolf (FDP). Wer NS-Symbole verwende, werde »zu Recht von der Polizei verfolgt und hart bestraft«. Der Verfassungsschutz hatte festgestellt, dass mehr als die Hälfte dieser Täter keinen rechtsextremistischen Hintergrund habe. Die Zahl der politischen Gewaltdelikte stieg um fast 30 Prozent auf 278 Fälle.
Dem Linksextremismus werden elf Prozent der politischen Straftaten zugeordnet, ausländischen Tätern etwa zwei Prozent aller Delikte. Beim Ausländerextremismus setzte sich der Trend der rückläufigen Zahlen fort. Der Schwerpunkt der 74 Delikte lag bei Verstößen gegen das Vereinsrecht.
Der Verfassungsschutz in NRW hat Zweifel an der Verfassungstreue der Linkspartei. Auch die Kooperationsvereinbarung mit der Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit (WASG) habe diese Bedenken nicht entkräftet, sagte der Verfassungsschutz-Chef Hartwig Möller. Man beobachte die Linkspartei deshalb weiter.
Als größte Herausforderung für den Verfassungsschutz bezeichnete Wolf den internationalen Terrorismus. Die Gefahr für NRW sei derzeit zwar abstrakt, »aber wir nehmen sie ernst«. Wolf warnte vor einem Generalverdacht gegen die in Deutschland lebenden Muslime. Die überwältigende Mehrheit gehe den Islamisten nicht auf den Leim. Die Moscheen in NRW sind für den Verfassungsschutz keine ergiebige Quelle. Es sei abwegig zu glauben, dass dort öffentlich über Anschlagspläne diskutiert werde, sagte Möller. In den Moscheen seien kaum noch so genannte Hassprediger anzutreffen. »Wir beobachten einen rückläufigen Trend.«
Mit Blick auf die Fußball-WM nimmt der Verfassungsschutz auch rechtsextremistische Hooligans ins Visier. Nach Angaben von Möller gibt es unter den Hooligans in NRW einige Hundert Gewalttäter, die politische Ziele verfolgten.
Die Fahnder des für Ostwestfalen-Lippe zuständigen Bielefelder Staatsschutzes registrierten im vergangenen Jahr 269 politisch motivierte Straftaten. Das entspricht einem Zuwachs von 14,5 Prozent. Doch gaben Bielefelds Polizeipräsident Erwin Südfeld und Staatsschutzchef Dirk Butenuth zu bedenken, dass sich die Steigerung, bezogen auf die Stadt Bielefeld und die sieben OWL-Kreise, jeweils im unteren zweistelligen Bereich bewege.
So waren von den 203 rechtsextremen Straften (plus 9,1 Prozent) 179 so genannte Propagandadelikte wie Hakenkreuzschmierereien oder Beleidigungen. Kriminaloberrat Butenuth: »Delikte, die nicht unbedingt typisch für die rechte Szene in OWL sind. Dort weiß man ganz genau, dass man sich strafbar macht.«
Die linksextreme Kriminalität stieg 2005 von 30 auf 40 Fälle an. Beim überwiegenden Teil der Delikte (23 Taten) handelte es sich um Verstöße gegen das Versammlungsgesetz oder Schmierereien.
Von 220 Ausländervereinen in OWL stuft der Staatsschutz jeden zehnten als islamistisch-extremistisch ein. Es handele sich aber nicht um Organisationen, von denen eine Anschlagsgefahr ausgehe.

Artikel vom 23.03.2006