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Stadt will Zinsen bei
Fleischern eintreiben

Zurückgezahltes Darlehen reicht der Kommune nicht

Von Michael Diekmann
Bielefeld (WB). Unverhoffter Geldsegen für Bielefelds Stadtkasse: Seit dieser Woche darf sich Joachim Berens (Amt für Finanzen) über ein Sparbuch der Fleischerinnung mit 250 000 Euro freuen. Nach Einschätzung des Verwaltungsgerichtes Minden war dieser Betrag den Handwerkern in den Sechziger Jahren als Darlehen für Baumaßnahmen am Schlachthof gewährt worden und musste zurückgegeben werden.

Der Fall reicht zurück ins Jahr 1964 und in die Ära von Obermeister Max Otting und Friedhelm Schürmann, selbst Fleischermeister und später Bielefelder Bürgermeister. Ein finanzielles Hilfeersuchen für Baumaßnahmen am innungseigenen Schlachthof war im Rathaus damals mit einem Betrag von 500 000 Mark beschieden worden - »zins- und tilgungsfrei zur Verfügung gestellt«, wie es hieß. Allerdings: Während die Fleischer den Betrag als wirtschaftlichen Zuschuss der Kommune werteten, sah die Stadt den Betrag stets als Darlehen an.
Über die Rückzahlung wurde nie gesprochen, erinnern sich die heute Verantwortlichen der Innung. Man traf dennoch Vorsorge, als der Schlachthof 1997 seinen Betrieb einstellte und später verkauft wurde. Innung und Stadt einigten darauf, die umgerechnet 250 000 Euro auf ein Gemeinschaftskonto einzuzahlen und später klären zu lassen, wem der Geldbetrag zusteht. Obermeister Stefan Kohring: »Mit Einstellen des Schlachtbetriebes war schließlich der eigentliche Verwendungszweck für den bereit gestellten Geldbetrag weggefallen. Deshalb musste die Sache geprüft werden, als der Verkauf 2000 über die Bühne war.«
Bereits 2004 wandten sich Stadt und Innung an das Verwaltungsgericht. Wegen dessen Überlastung verstrich allerdings mehr als ein Jahr, während hinter den Kulissen Anwälte eifrig Akten wälzten. Die jetzige Entscheidung der Mindener Richter akzeptieren die Fleischer als Schiedsspruch, verzichteten auf ein Urteil, um Kosten zu vermeiden.
Dafür sollen ihnen nun andere Kosten aufgebrummt werden. Zusätzlich zu den Sparzinsen, die die Innung dem Kämmerer gleich mit überschrieben hat, möchte die Stadt jetzt noch weitere Zinsen bei den Fleischern eintreiben - die für ein ortsübliches Darlehen. Die sind dem Rathaus nach Meinung der Verwaltung zwischen 1997 und 2001 entgangen, weshalb ein privater Rechtsanwalt eingeschaltet wurde. Joachim Berens: »Kein Kommentar.« Fazit: In Krisenzeiten greift die Stadtkasse nach jedem Strohhalm. Und der Rechtsstreit geht in die nächste Runde.

Artikel vom 21.03.2006