21.03.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

System auf dem Prüfstand

Arminia und die Varianten: Auswärtsschwäche soll kein Komplex werden

Von Hans Peter Tipp (Text)
und Stefan Hörttrich (Foto)
Berlin/Bielefeld (WB). Der DSC Arminia Bielefeld tritt nach der dritten Auswärtsniederlage in Folge in der Fußball-Bundesliga weiter auf der Stelle. Ein Sieg bei dreizehn Versuchen - so lautet die Ausbeute der bisherigen Saison. Sie könnte kaum schwächer sein. Seit dem 7. Februar oder exakt 303 Spielminuten hat die Mannschaft in der Fremde kein Tor mehr erzielt.

In Berlin gelang am Sonntag noch nicht einmal ein einziger gefährlicher Schuss auf den Kasten von Christian Fiedler. Die mangelhafte Durchschlagskraft des Offensivspiels ist aber keine Zeiterscheinung: Sie zieht sich wie ein roter Faden durch diese Saison. 27 Tore erzielte Arminia in allen 26 Spielen - nur zwei Teams verbreiteten noch weniger Schrecken als die Ostwestfalen.
Auch zu Hause fallen die Tore nicht wie reife Früchte: Sie reichen halt nur häufiger aus, um mal einen »Dreier« an Land zu ziehen. Auffällig beim Blick auf die Auswärtsresultate: Wenn Arminia in der Fremde mal traf, wurde dieses fast immer belohnt. Nur in Bremen und Hamburg gingen die Bielefelder trotz Toren leer aus. Warum also fehlt seit Wochen der Mumm?
Mannschaftskapitän Mathias Hain, der sich nach dem Berlin-Auftritt riesig ärgerte, macht wie Trainer Thomas von Heesen eine Willensschwäche für das stetige Versagen aus. »Ich verstehe aber nicht, warum uns auswärts ständig der Mut zum aggressiven Spiel im vorderen Bereich fehlt«, sagte der Torwart: »Es gibt doch nichts Besseres, als die Gegner schon früh in deren Hälfte zu beschäftigen. Nur dann können sie nicht in Ruhe aufbauen und müssen nach Lösungen suchen, die dann zu 80 Prozent in langen, wenig erfolgversprechenden Bällen bestehen.«
Doch wenn alle guten Vorsätze nicht zu zählbaren Erfolgen führen, wird der Trainer wohl bald handeln: Einen weiteren defensiven Mann im Mittelfeld einzubauen, wie es das so genannte Fachblatt »Kicker« schon für das Berlin-Spiel in Aussicht gestellt hatte, dürfte vermutlich nicht die Lösung sein. Denn das Problem liegt nicht zwischen Fink und Kauf, sondern weiter vorn.
Dort aber sind - verletzungsbedingt - die Variationsmöglichkeiten des Trainers derzeit begrenzt. Und von den derzeit gesunden Spielern haben es inzwischen alle in fast allen denkbaren Varianten schon probiert. Bleibt eigentlich nur die Operation am System. Also statt mit zwei Spitzen mal nur mit einer oder gleich dreien?
Gegen eine Rückkehr zum Rapolder-System mit einem Stoßstürmer und drei dahinter postierten offensiven Kräften spricht allerdings das Fehlen der berühmten »10« im Arminia-Kader. Gegen die Variante eines 4-3-3 der Zwang, den stabilen Defensivblock Kauf/Fink umgruppieren zu müssen.
Bliebe noch das 3-5-2-System, jene Variante, mit der der jüngste Gegner Hertha BSC zu einer gewissen Stabilität zurückfand. Eine grundsätzliche Sympathie für diese taktische Ausrichtung ist Thomas von Heesen ohnehin zu eigen. So könnte sein Gedanke, auswärts »mal etwas ganz Anderes« zu machen, darauf hinauslaufen.
Vielleicht vermisst Arminia aber auch nur Torjäger Isaac Boakye (8 Treffer) mehr, als es alle zugeben wollen. Vier Mal fehlte der Ghanaer in dieser Serie auswärts in der Anfangsformation, jedes Mal blieben die Arminen ohne Punkt. Man kann es auch anders herum sehen: Mit Boakye in der ersten Auswärts-Elf gab es zumindest einen Sieg, fünf Unentschieden und nur drei Niederlagen. Es wäre wohl für alle das Beste, wenn er schnell wieder gesund würde. Denn ein Torjäger ist in jedem System nicht das Schlechteste.

Artikel vom 21.03.2006