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Kultobjekt im Unruhestand

Präsident Roth will Trainer Hans Meyer Nürnberg schmackhaft machen

Von Oliver Kreth
Nürnberg (WB). Dass er mal im Westen zum Kultobjekt werden würde, das hat er sich im Oktober 1990 nicht gedacht. Da traf Hans Meyer erstmals auf Fußball als Entertainment- und Showveranstaltung.

Diese Art des Sportgeschäftes schmeckte dem damaligen Coach des FC Karl-Marx-Stadt gar nicht. Doch schon zu jener Zeit präsentierte er sich wie heute - schlitzohrig und sachkundig.
Mittlerweile beherrscht er das Spiel mit den Medien perfekt. Der Meyer-Witz - nicht immer einfach zu verstehen oder gar als solcher sofort zu erkennen - macht ihn nicht nur in Nürnberg zum Kult. Beispiel gefällig? Erstmal müsse man die UEFA-Cup-Qualifikation schaffen, dann müsse er Torjäger Robert Vittek wieder aufrichten, weil dieser nach zuvor zwei Mal drei Toren gegen Bremen nur zwei Mal traf und schließlich habe er sich nach dieser Saison vornehmlich um seine Frau und seine Rosen zu kümmern.
Am 9. November letzten Jahres übernahm das Unikum aus dem Osten die Franken als Tabellenletzten. Seither sind einige Leistungsmauern gefallen. Die Rosa-Rot(h)en Zeiten sollen unter Meyer auch weiter gehen. »So einen exzellenten Trainer werden wir so schnell nicht wieder finden«, meint nicht nur FC-Präsident Michael A. Roth, der den 63-Jährigen gerne länger bei den »Cluberern« behalten würde. Doch der wiegelt noch ab: »Verhandelt wird erst, wenn wir das große Ziel endgültig erreicht haben.« Meyers Vertrag gilt bis zum 30. Juni 2006 und würde sich auch beim angestrebten Klassenerhalt nicht automatisch verlängern.
Dass der Mann, der den Ostfußball in Vorwendezeiten europäisch salonfähig machte - mit Carl Zeiss Jena stand er 1981 im Europapokalfinale (1:2 gegen Dynamo Tiflis) - ernsthaft an Ruhestand oder Rente denkt, darf genau so bezweifelt werden wie seine Liebe fürs Rosenzüchten.
Allerdings genießt Meyer nichts mehr als seine Unabhängigkeit. Nach dem Ende seines Engagements beim holländischen Erstligisten Twente Enschede kam er im September 1999 zu Borussia Mönchengladbach, die er in die Bundesliga zurückführte. Im März 2003 verließ er die Rheinländer im Frieden und wollte in den Ruhestand gehen, da es Meinungsverschiedenheiten mit einigen Presseorganen gab, die seine Ironie nicht verstehen wollten oder konnten.
Im Dezember 2003 lockte ihn Hertha BSC wieder zurück auf die Trainerbank. Gegen eine großzügige Prämie (man sprach von 500 000 Euro) sollte er die unerwartet in den Abstiegskampf geratenen Berliner retten.
Die Zusammenarbeit endete vertragsgemäß. Mit Meyer kam die Hertha am Ende der Saison auf den 12. Tabellenplatz. Meyer hatte seinen Auftrag erfüllt und verließ den Verein im Juni 2004, obwohl er ein Angebot zur Vertragsverlängerung hatte.
»Wenn wir weiterhin so stark spielen, habe ich keine Angst vor dem Abstieg«, sagt Vittek. Meyer bremst aber vor dem Spiel in Bielefeld. Der Einfluss eines Trainers werde »in der Regel überschätzt. Ich kenne wenige, die aus Scheiße Butter machen.«
Der »Kauz« lässt sich eben nicht gerne in die Karten schauen. Natürlich reizt ihn das Geld, das man im Fußball-Geschäft verdienen kann. Doch darum geht es ihm nicht nur. Für ihn hat der Trainer auch erzieherische Funktion abseits des Platzes.
Als Schalke Niels Oude Kamphuis verpflichtete meinte der damalige Twente-Coach zu den angereisten Medien: »Schreibt mir den Jungen nicht kaputt.« Fest steht: Bei so etwas versteht Hans Meyer keinen Spaß.

Artikel vom 25.03.2006