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Bei Tag und Nacht
Am 8 Mai: »Herzlich willkommen in der Welt von Schiller«Bielefeld. Tag und Nacht ist er auf der Suche. Er fängt Stimmungen ein, fasst Gefühle in Töne, gibt Sehnsüchten einen Klang. Die elektronischen Popgemälde, die dabei entstehen, begeistern die Fans, doch der Meister selbst ist nicht so leicht zufrieden zu stellen. Er sucht im Strom der Zeit nach Ruhe, Sinn und dem perfekten Lied. Tag und Nacht. Und so heißt auch das aktuelle Album der von Christopher von Deylen geprägten Band namens Schiller. Das Publikum kann sich am Montag, 8. Mai, 20 Uhr, live von den feingeschnitzten Songs und den zum Markenzeichen gewordenen Begleittexten in den Bann ziehen lassen, denn im Ringlokschuppen Bielefeld heißt es dann: »Herzlich willkommen in der Welt von Schiller.«
Und dort sitzt bei »Tag und Nacht« Gary Wallis, Drummer von Pink Floyd, am Schlagzeug, Tissy Thiers von Moti Special übernimmt den Bass-Part, und Mickey Meinert bedient die Gitarre. Das Schiller-Prinzip - keine feste Band, kein Frontman, den alle anhimmeln können, sondern wechselnde Gastmusiker - scheint das Erfolgsgeheimnis des Christopher von Deylen zu sein.
Denn zwei goldene Schallplatten, einen Echo, DVD-Champion-Award für die beste Live-DVD 2004, 40 000 jubelnde Fans bei der ersten Schiller-Live-Tour und sechs Millionen verkaufte Tonträger weltweit beweisen, dass man manchmal ruhig einmal gegen die gängigen Regeln des Musikbusiness verstoßen darf, nicht zielgruppenorientiert auf Markttauglichkeit schielen und sich schon gar nicht musikalisch verbiegen muss, wenn man hunderttausende von Fans in aller Welt glücklich machen will.
Und die Fans - die sind ihm wichtig. Christopher von Deylen beantwortet lieber stundenlang ihre E-Mails als Interviews zu geben; trifft sich mit ihnen lieber nach dem Konzert, als den unnahbaren Star zu spielen.
Deswegen erfindet er sich mit seiner Musik vielleicht auch immer wieder neu. Will nicht bloß eine Kopie des letzten Nr. 1-Hits abgeben, um Kasse zu machen; nicht langweilen, lieber überraschen. »Ich suche immer noch nach dem perfekten Song. Habe ich einen komponiert, würde ich ihn am liebsten gar nicht erst veröffentlichen, weil ich weiß, dass ich es eigentlich noch besser kann.« Diese latente Unzufriedenheit treibt ihn an und lässt ihn schon früh morgens ins Studio eilen. Computer anstellen, Geräte checken, E-Mails abrufen, Nachrichten überfliegen - erst danach wird der erste Kaffee gekocht.
Komponist und Produzent von Deylen arbeitet konzentriert und diszipliniert. Er ist einer, der sich nur kurze Pausen gönnt. Pausen, in denen er die Stille sucht. Wo findet er sie? »Nirgends, das ist ja das Tragische. Vielleicht ist meine Musik deswegen manchmal so melancholisch.« Einmal hat er in Zentralasien einen Berg bestiegen. Fast 4000 Meter hoch. »Da war es so still, dass man Geräusche machen musste, um nicht verrückt zu werden.« Aber er sucht doch die Stille? »Ja, doch vielleicht finde ich sie eines Tages ganz plötzlich auf einer Straßenkreuzung mitten in New York.«
Bis dahin bleibt Christopher von Deylen ein Suchender, der sein Publikum teilhaben lässt und ihm manchmal ein kleines Stückchen innere Stille in seinen Liedern schenkt. Margit Brand

Artikel vom 28.04.2006