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»Schmuddelkinder« sind gesünder

Naturnahes Spielen für Kinder in Bielefeld - Verein »Maulwürfe« bietet viel Natur


Von Larissa Kölling
Bielefeld (WB). Maulwürfe stehen unter Naturschutz und dürfen nicht gestört werden. Das gilt auch für die Nachwuchs-Maulwürfe des gleichnamigen Vereins in Bielefeld. Nach Lust und Laune - und bei jedem Wetter - dürfen sich die Kids zwischen eineinhalb und elf Jahren auf einem 2000 Quadratmeter großen Grundstück so richtig austoben. Und das ist gut so, denn Kinder, die bereits im Kleinkindalter intensiven Kontakt mit Dreck und Schmutz haben, leiden nicht so oft an Allergien wie ihre »sauberen« Artgenossen.

»Unsere Kinder sollen Naturerfahrungen sammeln und die Natur hautnah erleben«, erklärt die erste Vorsitzende Julia Rogat die Motivation für die Vereinsgründung im vergangenen Jahr. Seit fast neun Jahren kennen sich die Elternpaare durch Schwangerschaftsgymnastik, Spielkreise und Kindergarten und haben sich seitdem regelmäßig getroffen. Zwölf Familien mit durchschnittlich zwei Kindern gehören aktuell zu dem Verein, der sich das Thema »naturnahes Spielen« auf die Fahnen geschrieben hat.
»Wir wollten das oft regenfeucht-fröhliche Vergnügen auf unserem Grundstück auch anderen Familien ermöglichen«, sagt Anja Wittgrebe, zweite Vorsitzende der »Maulwürfe«. Bei Sonnenschein, Regen oder Schnee können die Mädchen und Jungen den »Maulwurfshügel« hinaufklettern, hinunterrutschen und unter Grasbüscheln und Steinen nach kleinen Tieren suchen. Schmutzig machen ist dabei nicht nur erlaubt, sondern gehört dazu - zu dem Spaß im Grünen.
Das Spielen im Schmutz gilt nicht nur als Brutstätte für Keime und Krankheiten, sondern dient auch als Fitnessprogramm fürs Immunsystem. »Das natürliche Abwehrsystem des Menschen ist lernfähig und muss trainiert werden«, betont Professor Jürgen Knop, Direktor der Hautklinik an der Universität Mainz und Vorstands-Mitglied in der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie (DGAI). Allerdings müsse ein gewisser Hygienestandard eingehalten werden, um gefährliche Infektionskrankheiten zu vermeiden, fügt er hinzu.
Einige Projekte im Grünen haben die engagierten Eltern, von denen einiges an Eigeninitiative erwartet wird, gemeinsam mit ihrem Nachwuchs bereits verwirklicht. »Wir haben einige Greifvogelstangen aufgestellt, damit die Kinder die Gelegenheit haben, Mäusebussarde und Habichte zu beobachten. Erstaunlicherweise haben die heimischen Vögel diese Plätze sehr schnell angenommen«, freut sich Julia Rogat darüber, dass die Vögel nun den Kindern so nahe kommen. Ein Indianerzelt aus Ästen und Blättern bietet Schutz. Ein kleines Nest aus Steinen, Laub, Sand, Weidenrutengeflecht und Moos haben sich die »Maulwürfe« auch schon gebaut, denn die Tiere auf dem Grundstück haben ja auch ihre Höhlen und Nester, so die Kinder. Auch zwei junge Kastanienbäume sind im Herbst gepflanzt worden und jetzt hoffen alle auf eine reiche Ernte, damit viel gebastelt, dekoriert und »gekocht« werden kann.
Bei kalter Witterung wärmen sich Groß und Klein bei leckerem Kinderpunsch auf oder backen Stockbrotteig über dem offenen Feuer. »Schlechtes Wetter gibt es für uns nicht, es gibt nur unpassende Kleidung«, sagt die erste Vorsitzende lachend und weist darauf hin, dass sich die ganze Meute im Sommer fast jeden Tag beim Maulwurfshügel an der A2 trifft.
Für die warme Jahreszeit hat der Verein noch so einiges geplant. Ein Komposthaufen, eine Kräuterschnecke und ein Barfußpfad sollen angelegt werden, um den kleinen Naturliebhabern einen authentischen Umgang mit ihrer natürlichen Umwelt und spielerische Geländeerfahrungen zu ermöglichen. Aber auch im Winter gibt es eine Menge auf dem Grundstück zu tun. So bearbeiten die Kinder zum Beispiel eifrig Äste mit kleinen Sägen und errichten Haufen, in denen Tiere Zuflucht suchen können. Auf handelsübliches Spielzeug verzichtet der Verein ganz.
»Mit Spaß und Freude sollen motorische und sensorische Fähigkeiten gefördert werden« - so lautet der Ansatz des Vereins für naturnahes Spielen. Wer Interesse an einer Mitgliedschaft hat oder den Verein unterstützen möchte, bekommt weitere Informationen bei Julia Rogat unter der Telefonnummer (0521) 20 58 15.
Zum Bedauern der Vereinsmitglieder zeichnen sich am Vereinshimmel dunkle Wolken ab, da auf dem angrenzenden Grundstück eine Tierpension mit bis zu 40 Hunden eingerichtet werden soll. Das unbekümmerte und optimale Spielverhalten könnte durch die direkte Konfrontation mit den Hunden gestört werden.

Artikel vom 24.03.2006