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»Wir können auch anders«

Max Reger zum Saisonende der Reihe »Wiener Klassik«

Von Uta Jostwerner
Bielefeld (WB). Wie, schon wieder Saisonende bei der Wiener Klassik? Ja, viermal bescherten Heribert Beissel und seine Klassische Philharmonie Bonn den die Klassiker liebenden Hörern genüssliche Stunden in der Oetkerhalle. Beim Abschied, dem am 18. Oktober in der dann rückgebauten Konzerthalle ein Wiedersehen folgt, zeigte sich das Orchester von einer neuen Seite.

»Wir können auch Anderes«, kommentierte der Orchesterchef bei seiner obligatorischen Ansprache zum Saisonausklang den Ausflug in die spätromantischen Klanggründe eines Max Reger. Ist zwar naheliegend, im Mozart-Jubeljahr dessen »Variationen und Fuge über ein Thema von Mozart« auf den Spielplan zu heben, gleichwohl entfernen sich Beissel und sein Talenteorchester damit ein ganzes Stück weit vom selbstgewählten Zeitrahmen, der die Werke der Wiener Klassik sowie die angrenzenden Epochen Barock und Romantik in den Mittelpunkt stellt.
Regers 1914 entstandenes Orchesterwerk exponiert in steter Steigerung und Verdichtung einen spätromantischen Klangstil, der bei Beissel in besten Händen ist. Aber auch den typisch wiegenden Bewegungsfluss lässt der Orchesterlenker in akzentuiert kapriziöser Spielweise herausarbeiten, um anschließend in fein austarierten Spaltungen die einzelnen Variationen zu Gehör bringen. Man denke nur an dieses lebhaft bewegte »Marcato« in der der vierten Variation, an das graziöse Ambiente in der siebten, die Beissel gekonnt in einer mysteriösen Schwebe behält. Und die Fuge geriet in differenzierter Steigerung und klanglicher Transparenz zu einem strahlenden Höhepunkt des großen Variationswerkes. Chapeau!
Bereits in der ersten Programmhälfte blieben beim Mozart-Programm keine Wünsche offen. In Vitalität und Frische ließ Beissel die Ouvertüre zu »Don Giovanni« aufspielen, ohne dabei die Dramatik - gesetzt durch kurze dynamische Phrasierungsbögen und effektvolle Akzentuierung - zu vernachlässigen.
Auch der Brückenschlag zwischen zwanglos unterhaltendem Geist und anspruchsvoller Sinfonik gelang famos. So verströmte die Haffner-Serenade leichtfüßig tänzelnden Festcharakter, enthielt aber eben auch den liebenswürdig geistvollen Plauderton. Mit nicht nachlassender Spannung und in liebevoller Detailarbeit wurde der Reichtum an Farben und Kontrasten herausgestellt. Und Bastian Christopeit, Solist des in der Mitte auftrumpfenden Violinkonzerts, erwies sich als einfühlsamer, kompetenter Interpret, der die reichhaltige Ausdrucksphäre in brillanter Tonformung und technischer Meisterschaft zu Gehör brachte. So inspiriert serviert, machte die Klassische Philharmonie Bonn dem Geburtstagskind alle Ehre.

Artikel vom 21.03.2006