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Das »Oster-Triumvirat« initiierte Auferstehung

Oscar Petersons »Easter Suite« in der Süsterkirche

Von Uta Jostwerner
Bielefeld (WB). Wie, ein sonntäglicher Jazz-Frühschoppen in der Süsterkirche? Mitnichten. Was da nach dem Gottesdienst in der Evangelisch-reformierten Kirche so herrlich swingte und vibrierte war ein für Jazz-Trio arrangiertes Stück über -Ê kein Witz -Ê den Leidensweg Christi.

Von den traditionellen Passionsmusiken im kirchenmusikalischen Raum unterscheidet sich Oscar Petersons »Easter Suite« nicht nur rein stilistisch. Im Gegensatz zu ihren meist lamentierenden Schwestern stellt sie den Gedanken der Hoffnung in den Mittelpunkt. Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang, dass nicht das Wort »Passion«, sondern »Ostern« namensgebend war.
Olaf Kordes (Piano), Wolfgang Tetzlaff (Kontrabass) und Karl Godejohann (Schlagzeug) kann gar nicht hoch genug angerechnet werden, dass sie dem Werk quasi zu seiner »Auferstehung« verholfen haben. Denn die »Easter Suite« stellt ein Kuriosum im Schaffen von Oscar Peterson dar: Sie gehört zu seinen wichtigsten Werken, wurde jedoch nie für ein Album, sondern lediglich ein einziges Mal fürs Fernsehen eingespielt. Peterson komponierte sie auf Anfrage der BBC für die »South Bank Show« am Karfreitag des Jahres 1984. Seither wird der Mitschnitt des Konzerts in England stets am Karfreitag gesendet -Êfür viele ein Ritual, das zum Karfreitag gehört wie »Dinner for one« zum Silvesterabend.
Die monatelangen Mühen der Transkription, die Kordes und Tetzlaff nach dem auf DVD vorliegenden Konzertmitschnitt vornahmen, haben sich gelohnt und bescherten dem Bielefelder Publikum vermutlich die deutsche Erstaufführung des Werkes, das die Leidensgeschichte Jesu in neun Stationen erzählt: Vom Letzten Abendmahl (The Last Supper) über den Garten Gethsemane (The Garden Of Gethsemeane), Verleugnung (The Denial), Verrat (Why Have You Betrayed Me?), Verurteilung (The Trial), Königsfrage (Are You Really The King Of The Jews?), die letzten Worte Jesu am Kreuz (Why Have You Forsaken Me?), Tod (Jesus Christ Dies Here Tonight) bis hin zur Auferstehung (He Has Risen).
Musikalisch ist Peterson ein Wurf gelungen, der seinesgleichen sucht in Bezug auf Lyrik, Verve und Komplexität, obgleich die Kompositionsweise der seiner Afrika-Suite ähnelt: In der Regel stellen Klavier oder Bass ein Thema vor, das dann in einem gegenseitigen Dialog nach dem Variationsprinzip fortgesponnen wird, bevor die Musiker ins Triospiel einsteigen. Aber das ist graue Theorie in Anbetracht des mitreißenden Hörerlebnisses, welches die Gemeinde immer wieder zu Zwischenapplaus veranlasste und am Ende völlig euphorisiert aus den Bänken riss. Auf ein »Da capo« darf man sich am Gründonnerstag, 13. April, 20.30 Uhr, in der Süsterkirche freuen.

Artikel vom 20.03.2006