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Wenn Verlierer plötzlich siegen

WM-Paten (Folge 11): Ivan Jakings traut England den Titelgewinn zu

Von Sylvia Rasche
und Harald Iding (Foto)
Borgentreich (WB). September 2001. Das Trikot gehört seiner Tochter Carly und ist eigentlich zu eng. Doch das stört Ivan Jakings wenig. Nach dem 5:1-Erfolg Englands gegen Deutschland in der WM-Qualifikation trägt er sein Nationaltrikot zum Badminton-Training des 1. FC Bühne. »Seit ich in Deutschland lebe, hatte England noch nie gegen Deutschland gewonnen. Das musste ich ausnutzen«, erzählt Jakings heute.

Dabei weiß natürlich auch er ganz genau, dass die Statistik die berühmte Fußball-Definition seines Landsmannes Gary Linneker (»Fußball ist einfach: 22 Mann, ein Ball und am Ende gewinnen die Deutschen«) widerlegt. Im direkten Vergleich hat England 14, Deutschland nur neun Spiele gewonnen.
Geht es nach Ivan Jakings, baut sein Heimatland diese Bilanz während der WM weiter aus. Schon im Achtelfinale könnten England und Deutschland aufeinander treffen. »Vor wichtigen Turnieren ist die Fußball-Begeisterung in meiner Heimat immer sehr groß. Ich denke, dass wir diesmal zum engen Favoritenkreis zählen und Weltmeister werden können«, fiebert Ivan Jakings dem Start der Titelkämpfe entgegen.
Fußball nahm im Leben des gelernten Schlossers schon immer einen hohen Stellenwert ein. »Nach den Hausaufgaben haben wir Fußball gespielt, bis es dunkel wurde - jeden Tag«, erzählt der 49-Jährige aus seinen Jugendtagen im englischen Wisbech. Einmal stand er sogar kurz vor der Nominierung für die U18-Nationalmannschaft. »Ich durfte das letzte Sichtungsspiel zwischen Nord- und Südengland bestreiten. Für das Nationalteam hat es dann zwar nicht gereicht. Aber schon die Teilnahme an diesem Spiel war für mich ein großes Erlebnis«, berichtet der Mittelfeld-Akteur, der mittlerweile im Borgentreicher Ortsteil Bühne (Kreis Höxter) seine neue Heimat gefunden hat.
Während eines beruflichen Aufenthalts in Warburg lernte er seine spätere Ehefrau Heidi kennen, lebte zunächst mit ihr fünf Jahre in England, zog 1989 zurück in ihren Heimatort Bühne und fühlt sich auch selbst hier heimisch. Dem runden Leder jagt er nur noch in Ausnahmefällen in der Altherren-Mannschaft des 1. FC Bühne nach. Regelmäßig spielt er Squash, leitet die Badminton-Abteilung seines Vereins und ist einer der Leistungsträger des Kreisklassen-Teams.
Den Kontakt zu seiner alten Heimat hält Ivan Jakings aufrecht. Regelmäßig besucht der Familienvater seine Eltern in England und verfolgt über Satelitenprogramme auch in Bühne den englischen Fußball aufmerksam. Dabei kommt es dann auch schon einmal vor, dass er ehemalige Mitstreiter im Fernsehen wieder sieht - »David O'Leary ist der Trainer von Aston Villa. Er war damals in meinem Sichtungsspiel dabei. Ein anderer Mitspieler, Graham Rix, hat es später sogar auf einige Einsätze in der A-Nationalmannschaft gebracht«, berichtet Ivan Jakings.
Im englischen Vereinsfußball schlägt sein Herz für Manchester United. Klar, dass Enkel Nico von seinem Opa dann auch schon bald nach der Geburt ein echtes Manchester-Trikot mit Beckham-Schriftzug geschenkt bekam. »Ich habe das kleinste Trikot gekauft, was zu bekommen war. Nico ist trotzdem darin versunken«, erinnert sich Jakings. Mittlerweile ist Nico im Kindergarten, Beckham längst bei Real Madrid - und das Trikot passt immer noch.
Die bevorstehende WM verfolgt Jakings in Bühne, wird dort das ein oder andere Spiel in der Kneipe anschauen. »In Gesellschaft macht Fußball mehr Spaß.« Nur einmal, September 2001, verzichtete er auf das Gemeinschaftserlebnis und sah sich das WM-Qualifikationsspiel Deutschland gegen England alleine im Wohnzimmer an. »Ich wollte nicht schon wieder als Verlierer nach Hause gehen.« Das Ende ist bekannt. Und ein bisschen entschädigte ja auch das Badminton-Training im Nationaltrikot für den entgangenen öffentlichen Siegesjubel.

Artikel vom 04.04.2006