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Ein Musiker auf Abwegen

WM-Paten (Folge 9): Juan-Bautista Sáenz aus Argentinien

Von Jens Brinkmeier
und Wolfgang Wotke (Foto)
Schloß Holte-Stukenbrock (WB). Pünktlich einen Tag vor dem Finale der Fußball-WM kehrt Juan-Bautista Sáenz am 8. Juli aus seiner Heimat Argentinien nach Deutschland zurück. Dass er einen Tag später den Sieg seiner »Albiceleste« miterleben könnte, glaubt der 54-Jährige allerdings nicht.

Der Musiklehrer erwartet eher eine Neuauflage des Endspiels von 2002: Deutschland gegen Brasilien. »Das wäre doch schön, wenn sich Geschichte wiederholen würde. Schließlich standen sich Argentinien und Deutschland auch zweimal in Folge, 1986 und 1990, gegenüber. Erst gewannen wir, dann die Deutschen. So könnte es dieses Mal auch gerne sein«, wünscht Sáenz der Auswahl von Jürgen Klinsmann eine erfolgreiche Revanche gegen den Sieger von 2002. Dass er bei einem Aufeinandertreffen des großen Rivalen der Argentinier mit dem Gastgeber zu seiner Wahlheimat halten würde, steht für ihn außer Frage. Schließlich lebt Juan-Bautista Sáenz bereits seit mehr als 25 Jahren in Deutschland.
Geboren und aufgewachsen in La Plata, der Hauptstadt des Bundesstaates Buenos Aires, studierte Sáenz klassische Musik und kam Anfang der 1980er Jahre nach Detmold. Dort bestand er die Aufnahmeprüfung an der Musikhochschule und blieb annähernd drei Jahre dort. Er erwarb das deutsche Diplom und ist seither Musiklehrer, hauptsächlich für Klavier, und Musikpädagoge. In Detmold lernte der heute 54-Jährige auch seine Ehefrau Mirta kennen, die ebenfalls aus Argentinien stammt und Lehrerin für Sport und Spanisch ist. Es folgte eine Festanstellung an der Kreismusikschule Gütersloh. Seit 1993 lebt die Familie, Juan-Bautista und Mirta haben eine Tochter (Lucia-Patricia) und einen Sohn (Juan-Julian), in Schloß Holte-Stukenbrock.
Die beiden WM-Siege seines Heimatlandes hat Sáenz natürlich verfolgt, auch wenn er sich nicht als Fußball-Fachmann bezeichnen würde. 1978 sei die Euphorie bei der WM im eigenen Land riesig gewesen, aber auch 1986, inzwischen in Deutschland, habe er den Titelgewinn der Mannen um Diego Armando Maradona mit einigen Landsleuten groß gefeiert. Sogar das genaue Datum weiß er noch: 29. Juni, ein warmer Sommertag. Was dem Musiker schnell auffiel: »Fußball ist hier in Deutschland genauso wichtig wie bei uns in Lateinamerika.«
Dass die Deutschen trotz mäßiger Leistungen vor dem Turnier bei einer WM dennoch ins Endspiel einziehen könnten, habe das Team ja erst vor vier Jahren bewiesen. »Der Heimvorteil hat sicher positive Auswirkungen«, glaubt Juan-Bautista Sáenz. Zudem sei die Psyche ein entscheidender Faktor, ebenso wie das Glück. »Seinen« Argentiniern traut der groß gewachsene Sáenz nicht so viel zu und erinnert an das peinliche Vorrunden-Aus bei der WM 2002 in Japan und Südkorea. »Ich würde mir natürlich einen Erfolg wünschen, aber die Mannschaft ist unberechenbar.« Es sei alles möglich.
Sofern es seine Zeit zulässt, wird er sich die Spiele in den ersten zwei Wochen am Fernseher anschauen, am 22. Juni fliegt Juan-Bautista Sáenz dann nach Argentinien. Dort bestreitet der 54-Jährige gemeinsam mit jungen Musikern der Kreismusikschule Gütersloh eine zweiwöchige Tournee im Rahmen eines musikalischen Jugendaustausches. Die Tournee beginnt in La Plata und führt die Musiker bis an den Rand der Anden. Auch Cordoba - Erinnerungen an die deutsche »Schmach« 1978 gegen Österreich werden wach - liegt auf der Reiseroute. »Es wäre natürlich schön, wenn Argentinien während dieser Zeit noch im Turnier ist und wir einige Spiele in meiner Heimat mitverfolgen können«, sagt Sáenz, der sich ganz unabhängig von Ergebnissen auf die WM 2006 freut: »Das wird eine tolle, bunte Sache mit Menschen aus vielen verschiedenen Ländern.«

Artikel vom 30.03.2006