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3 000 neue Bürger
für die Kurstadt

Eingemeindung war Jahrzehnte lang umstritten

Von Thomas Hochstätter
Bad Oeynhausen (WB). Das nennt man dann wohl ein Schnäppchen! Für 25 000 Mark Entschädigung bekam Bad Oeynhausen am 1. April 1926 den Niederbecksener Gemeindeteil Bruch dazu. Nicht nur die Kurstädter freuten sich über das Geschäft, das ihnen das ersehnte Bauland einbrachte. Die Niederbecksener Restgemeinde Lohe war endlich selbstständig.

Die Einwohner der Siedlung »nieder der Beke«, also am unteren Ufer des Borstenbachs, hatten sich in ihrem Zusammenschluss mit Rehme schon seit Mitte des 19. Jahrhunderts nicht wohlgefühlt. Die Kosten für die Rehmer Weseruferbefestigung waren ihnen ebenso ein Dorn im Auge wie die Höhe der Entschädigung des Gemeindevorstehers. 1859 baten 101 Niederbecksener Grundeigentümer und 50 Rehmer darum die Regierung, die Gesamtgemeinde aufzulösen. Der König stimmte 1868 zu. In dem nun eigenständigen Niederbecksen lebten etwa 1 200, 1871 aber schon rund 1 700 Menschen.
Insbesondere Niederbecksen-Bruch profitierte alsbald vom aufstrebenden Badeort Bad Oeynhausen in der Nachbarschaft, etwa durch den Bau der Südbahn 1873-75. Die Chaussee nach Exter, die heutige Detmolder Straße, und die Weserstraße wurden ausgebaut. Beleuchtung, Wasser und Kanalisation wurden mit Bad Oeynhausen gemeinsam verlegt. Während es den Menschen in Bruch - benannt nach einer feuchten Wiese, einem Sumpf unweit der kleinen Bauerschaft Reelsen - also immer besser ging, fühlten sich die oben auf dem Berge, die Loher, benachteiligt.
Dieses Auseinanderdriften beobachtete man besonders in Bad Oeynhausen mit Interesse. Denn das Gebiet der Stadt war bei ihrer Gründung zu klein bemessen worden, Raumnot die Folge. Umstritten war allerdings, welchen Teil von Niederbecksen man eingemeinden könnte: Nur das begehrte Stück zwischen der Steinstraße und dem Borstenbach sowie den beiden Bahnlinien? Oder doch die ganze Gemeinde, wie es ein Bürgerverein anstrebte? Die Stadt verhandelte bis 1912 mit dem Amt Rehme, dann scheiterte das Vorhaben an der damals noch hohen Entschädigungsforderung. »Es war ein ziemliches Hin und Her«, sagt Stadtarchivar Rico Quaschny, der an der Von-Möller-Straße dicke Mappen mit Schriftverkehr zur Eingemeindung verwahrt.
Nach dem Ersten Weltkrieg ging es weiter: Der Magistrat von Bad Oeynhausen beantragte beim Kreis Minden die Eingemeindung des Gebietes zwischen den Bahnlinien. Niederbecksen wollte aber nur über die Abtretung des ganzen Schulbezirkes Bruch verhandeln. So viel wollte Bad Oeynhausen aber gar nicht haben. Zunächst.
Am 4. Februar 1926 war es dann jedoch soweit: Das preußische Staatsministerium verfügte die Umgemeindung von ganz Niederbecksen-Bruch. Oeynhausen wuchs um knapp 409 Hektar. Zu den etwa 9 500 Kurstädtern kamen damit rund 3 000 Neubürger.

Artikel vom 18.03.2006